Liebe läßt alle Blumen blühen
Herbert Vollrath und meinem Bürovorsteher.«
»Wissen die beiden von der Moulin St. Jacques?«
»Nur sie! Wig, das ist absurd. Beide sind hundertprozentig in Ordnung. – Aber wie ist es bei dir? Wem hast du …?«
»Als du mich vom Hotel in Hannover abholtest, wußte ich doch gar nicht, wohin du fahren wolltest.«
»Das stimmt!« Sie starrte ihn fassungslos an. »Wig, ich glaube, wir sind beide hysterisch!«
»Der Stein war es nicht, der war echt. Er traf genau meinen Kopf.«
»Vielleicht ein Irrtum? Sie haben sich im Fenster geirrt …«
»Das wäre zuviel Zufall! Tinka …«
»Ja, Wig?«
»Versprich mir, von jetzt ab nichts mehr ohne mich zu tun.«
»Ich verspreche es dir. Sei ehrlich – irgendwie hast du Angst?«
»Nein! Irgendwie habe ich eine Sauwut, daß wir unsere Mühle verlassen haben!«
10
Am Abend ging das Mädchen Lulu hinter der Mühle spazieren.
Sie hatte sich nach allen Seiten gesichert. Das Land lag in lähmender Stille unter dem Nachthimmel. Wenn ein Auto kommen würde, sah man von weitem seine Scheinwerfer. Jedes Licht fiel hier in der Weite auf – auch ein Motorrad, auch ein Mensch, der sich mit einer Taschenlampe zu dem Etang tasten würde.
Die beiden Männer, die regungslos und kaum atmend im Schilf lagen, waren ohne Licht gekommen. Ihr verbeulter alter VW stand oben an der Straße in einer Tamariskengruppe. Sie waren, wie gesagt, ohne Scheinwerfer gefahren, und so hatte Lulu auch von ihrem Ausguck nicht sehen können, wie zwei Schatten auf die Moulin St. Jacques zuglitten und dann vom Erdboden aufgesaugt wurden. Den ganzen Tag über war Lulu brav in der Mühle geblieben, aber jetzt, in der Dunkelheit, wollte sie am Ufer entlanggehen und die frische Salzluft einatmen.
Neugierig wie sie war, hatte Lulu die beiden zurückgelassenen Koffer Kathinkas durchschnüffelt und hatte ein Kleid entdeckt, das sie herrlich fand. Sie hatte es angezogen, sich vor dem Spiegel betrachtet und daraufhin beschlossen, heute abend dieses Kleid zu tragen. Sie warf auch noch Kathinkas hellen sportlichen Trenchcoat über, band ein Tuch um ihr Haar und ging dann hinaus zum See.
»Das ist sie«, flüsterte der eine Mann und stieß seinen Nachbarn an. »Junge, haben wir ein Schwein. Sie latscht allein herum …«
»Und wo ist der Kerl?«
»Der sitzt drinnen und säuft sich einen an. Wetten? So viel Glück auf einen Schlag! Ehe der merkt, was passiert ist, sind wir längst weg.« Er hob den Kopf, zog ihn aber sofort wieder ein. »Sie geht spazieren, Junge! Es darf jetzt nichts schiefgehen. Alles lautlos! Denk immer daran: eine Million! Achtung – sie kommt zurück!«
Die beiden Männer duckten sich, durch hohe Schilfrohre geschützt, und bereiteten sich auf ihren Sprung vor.
Ahnungslos kam Lulu vom Etang herauf, schlug mit einem Ast um sich und pfiff leise vor sich hin. Irgendwann in der Nacht mußte Raoul kommen, oder er schickte den Chauffeur, um nachzusehen, ob bei ihr alles in Ordnung war. Die dumme Sache mit den Fotos mußte noch erledigt werden, aber für Raoul würde das kein Problem sein. Er kannte und beherrschte tausend Tricks – was ist da schon ein Kleinbildfilm in der Kamera eines so ahnungslosen Mannes wie Ludwig Zipka.
Als ob sie es den beiden Schatten links und rechts neben sich leicht machen wollte, blieb Lulu stehen und blickte zum Etang zurück.
Die Männer, die sie sehen konnten, hoben signalisierend ihre Hände.
Dann vollzog sich wirklich alles lautlos und schnell. Zwei Körper fielen gegen das Mädchen, eine Art Sack wurde über ihren Kopf gestülpt, gleichzeitig hielt eine Hand ihre Kehle zu, bis sie keine Luft mehr bekam und in Ohnmacht fiel. Sie wurde hochgehoben, wie eine Puppe über eine breite Schulter geworfen, und dann rannte der Mann mit seiner Last durch das hohe harte Gras, der Straße zu, gefolgt von dem anderen Mann, der ab und zu stehenblieb, zur Mühle starrte und den Rückzug sicherte. Oben, in dem Tamariskenhain, warfen sie die Besinnungslose auf den Rücksitz des alten VW, gaben Gas und rasten ohne Licht davon, in Richtung Albaron, um dann in einen schmalen Weg abzubiegen, der mitten hinein in die Sümpfe von Marais de la Grand Mar führte.
Als sich Lulu auf dem Hintersitz zu bewegen begann, beugte sich der Beifahrer über die Lehne seines Vordersitzes und schlug ihr mit einem dick umwickelten Hammer leicht auf den Kopf. Sofort verebbte jegliche Bewegung.
»Hast du auch aufgepaßt?« fragte der Fahrer. Es war nicht einfach, in diesem Gelände ohne
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