Liebe läßt alle Blumen blühen
viel Zeit verloren und mit einem Fahrrad sei überhaupt nichts zu machen, wurde entkräftet durch die unwiderlegbare Logik, daß er mit einem Auto den Selbstmord nicht hätte verhindern können, denn er sei ja erst nach dem Verschwinden des Mädchens alarmiert worden. Da spielen dann Zeitdifferenzen keine gewichtige Rolle mehr.
»Ich werde sofort nach oben laufen«, sagte Lulu, »wenn ich jemanden an der Tür höre. Die Falltür zu den Zahnrädern der Windflügel macht niemand auf.«
»Und wenn doch?« fragte Zipka.
»Warum sollte er?« Lulu hatte Kathinkas mißbilligende Blicke aufgefangen und zog die Decke von neuem über ihre Brüste. »Ich werde den Riegel von innen vorschieben, und jeder wird denken, die Tür klemme vor Altersschwäche und Rost. Ich wette, keiner wird sich die Mühe machen, sie aufzubrechen.«
»Für einen Menschen, der sein Gedächtnis verloren hat, spricht sie eigentlich recht logisch!« warf Kathinka ein. »Woher kennen Sie diese Details der Mühle?«
»Ich hatte doch Zeit genug, mich umzusehen und zu verstecken …«
»Die hatte sie wirklich«, meinte Zipka. »Aber angenommen, man findet Sie wirklich – man überrascht Sie …«
»Unmöglich!«
»Wieso ist das unmöglich?« hakte Kathinka sofort ein. »Wenn Sie auf dieser Couch ganz fest schlafen, hören Sie nicht, wenn Dupécheur hereinkommen sollte.«
»Ich werde oben schlafen. Im Bett von Monsieur …«, sagte Lulu und lächelte verführerisch.
»Der richtige Platz für Sie …«, fauchte Kathinka zurück.
»Das ist er!« Lulus Gesicht strahlte holde Unschuld aus. »Dort hört man zuerst, wenn hier unten jemand umhergeht. Ihr Zimmer, Madame, liegt zu weit von der Treppe entfernt.«
»Halten wir uns jetzt nicht damit auf, in welchem Bett Lulu schläft.« Zipka lehnte sich zurück und blickte die hohe, alte rohe Holzdecke der Mühle an. »Spielen wir lieber den gefährlichsten Fall durch: Man erwischt Sie, Lulu, was dann?«
»Dann sage ich, ich wäre nur herumgelaufen und sei nun zurückgekommen. Wer will etwas anderes beweisen?«
»Niemand. Aber man wird Sie sofort nach Mas d'Agon bringen, und Sergeant Andratte wird mit Ihnen nach Arles fahren. Und dort kommen Sie in eine Klinik, wo die Türen keine Klinke haben.«
»Es kommt aber darauf an, Monsieur«, sagte Lulu und räkelte sich wohlig, »wer mich entdeckt.«
Durch die Fensterläden und ihre Ritzen drang in langen glitzernden Streifen die Morgensonne.
»Wie soll ich das verstehen?« fragte Zipka.
»Ahnungsloser Engel! Sie meint«, erklärte Kathinka giftig, »daß ein männlicher Entdecker kaum eine Gefahr darstellt! Sie würde einfach lästige Textilien fallen lassen …«
»Oh, Madame verstehen mich!« Lulu blinzelte Kathinka wie einer Komplizin zu. »Sie würden es genauso machen, nicht wahr? Ich glaube nicht, daß Monsieur Dupécheur mich wie einen gefangenen Reiher wegbringen kann, wenn er mir allein gegenübersteht und ich zu ihm sage: ›Welch ein kräftiger Mann! Ich mag Männer wie Sie …‹ Dann wird er mich bestimmt nicht in Fesseln legen.«
»Das – das könnten Sie tun?« meinte Zipka und war etwas enttäuscht, was man ihm anmerkte. »Sie könnten mit einem wildfremden Mann …«
»Wenn es um meine Freiheit geht? Ich will doch nicht in eine Anstalt! Ich bin gesund.« Sie sprang plötzlich von der Couch, die Decke glitt herunter, und Lulu trug nichts als ihre schöne, glatte, glänzende Haut, die sich über wohlgeformte Rundungen spannte.
So ein Aas, dachte Kathinka und blickte Zipka an. So ein hinterhältiges Miststück! Auf diesen großen Auftritt hat sie ja nur gewartet. Jetzt ist das Stichwort gefallen, und nun kommt ihre große Szene. »Ich bin doch gesund!« wiederholte sie. »Monsieur, sehen Sie mich an: Bin ich krank? Sagen Sie doch endlich, daß ich gesund bin …«
»Monsieur Louis ist nicht Monsieur Dupécheur!« sagte Kathinka hart. »Ziehen Sie sich etwas über! Monsieur Louis brauchen Sie nicht zu überzeugen, daß Ihr Körper für Männer aller Altersgruppen maßgeschneidert ist.«
»Danke für das Kompliment, Madame.«
»Nehmen wir an«, sagte Zipka mit etwas belegter Stimme, während sich Lulu wieder in die Decke rollte, »daß sich Dupécheur nicht einfangen läßt!«
»Das ist völlig unmöglich!« warf Lulu selbstgefällig ein.
»Oder es kommt Sergeant Andratte?«
»Ich habe ihn beobachtet.« Lulu schnippte mit den Fingern. »Der Sergeant wäre überhaupt kein Problem.«
»Oder Dr. Bombette?«
»Ein Mann in seinem Alter
Weitere Kostenlose Bücher