Liebe läßt alle Blumen blühen
Scheinwerfer zu fahren. Der Wagen hüpfte.
»Ich war ganz zärtlich!« versetzte der Beifahrer grinsend und rutschte auf seinen Sitz zurück, »'ne Beule wird sie wohl haben. Ich werde sie ihr nachher kühlen.«
»Junge, ist das ein Gefühl«, sagte der Fahrer fröhlich und leckte sich die Lippen.
»Was?«
»Wir fahren mit einer Million durch die Gegend! Ist das etwa nichts? Karl, du hast aber auch gar kein Gefühl! So etwas erlebt man nur einmal!«
Diese Feststellung traf in diesem Falle wörtlich zu. Johann Kranz und Kai Lubizek hatten Kathinka Brauns Entführung so gründlich vorbereitet, wie es in kürzester Zeit möglich war. Der Plan wurde sozusagen spontan geboren, als Johann Kranz, der Kraftfahrzeugmechaniker in der Autowerkstatt war, in der Kathinka Braun ihren Sportwagen warten ließ, von seinem Meister gesagt bekam: »Der Wagen muß topfit sein, Johann. Frau Braun will damit in den Süden.« Weiter erfuhr Kranz bei dieser Gelegenheit, daß die Dame allein reisen würde – und das löste bei ihm eine Art von Glockenspiel im Gehirn aus. Die Glöckchen läuteten: »Frau Braun ist Millionärin, das weiß jedermann in Hannover. Eine Entführung wäre eine echte Sensation, die Beschaffung von Lösegeld böte keine Schwierigkeit. Wenn man es geschickt anfinge, könnte gar nichts schiefgehen. Sie fährt allein in den Süden – irgendwo auf dieser Fahrt verschwindet sie. Gelegenheiten würden sich genug ergeben … Eine ganz einfache Sache …«
Karl Lubizek, mit dem Johann abends bei einem Bier zusammensaß, sah es allerdings anders, komplizierter. Zuerst sagte er nur: »Du hast 'ne Macke, Johann!« Dann, nachdem Kranz Details seines simplen Plans entwickelte: »Das geht bestimmt voll in die Hose! Das ist bisher nie in Deutschland so richtig gelungen. Die haben alle erwischt, früher oder später!«
»Weil es alle so kompliziert gemacht haben!« versetzte Johann eindringlich. »Den einen haben sie in einer Düsseldorfer Wohnung versteckt, den anderen im Hohlraum einer Autobahnbrücke, den dritten gar in einer Kiste … Das mußte doch einfach schiefgehen!«
»Und wie willst du das nun machen?«
»Ganz modern. Beim Camping.«
»Idiot!«
»Danke. Hör doch zu, darum sollst du mitmachen! Ich kassiere das Geld, und du paßt auf die Gnädige auf. Niemand wird auf die Idee kommen, daß man einen Goldkäfer in einem Zelt festhält.«
»Bis sie Alarm schlägt, schreit, das Zelt anzündet oder sonst was unternimmt! Glaubst du, die bleibt brav auf der Matte sitzen und trinkt Tee?«
»Ich habe an alles gedacht«, sagte Johann Kranz zuversichtlich. »Machst du nun mit oder nicht? Junge – für jeden 'ne halbe Million!«
Später zeigte es sich, daß Johann Kranz doch nicht an alles gedacht hatte, aber da war er nicht mehr bereit, das Unternehmen aufzugeben. Wie konnte man auch ahnen, daß Kathinka Braun plötzlich doch nicht allein fuhr, sondern einen völlig unbekannten Mann mitnahm? Wie konnte man im voraus berechnen, daß sie nicht – wie sie dem Meisterin der Autowerkstatt gesagt hatte – an die Riviera fuhr, sondern in diese langweilige Camargue, in dieses – frei nach Karl Lubizek – ›Scheißland‹? Und wer hätte je daran gedacht, daß Frau Braun samt Begleitung sich in eine alte Mühle verkroch, die dadurch zum Mittelpunkt des dazugehörigen Dorfes wurde?
Johann Kranz dachte intensiv über die neuen Situationen nach, während Karl Lubizek eindringlich vorschlug, lieber Lottoscheine auszufüllen und auf einen Millionengewinn zu warten, als so ein verrücktes Ding zu drehen.
»An unserem Plan ändert sich nichts«, gab Johann Kranz an dem Nachmittag von sich, an dem sie Kathinka und Zipka höchst neidvoll beim Liebesspiel am Ufer des Etang beobachtet hatten. »Hier ist die richtige Gegend für Camping. Wir suchen uns jetzt eine schöne Stelle und bauen das Zelt auf.«
»Und der Kerl?« fragte Lubizek.
»Das muß man abwarten. Das ergibt sich dann schon von allein! Im Notfall bekommt er eine auf die Nuß! Karl, man muß improvisieren können! Zufälle ausnützen! Beweglich sein!«
»Du redest wie'n Professor!« sagte Lubizek mißmutig. »Aber das eine verspreche ich dir: Wenn dies Ding schiefgeht und ich komme nach ein paar Jahren aus dem Knast, dann kannste zum Südpol flüchten! Ich schlage dir sonst den Schädel ein! Ist das klar?«
»Ganz klar!« Kranz lächelte siegessicher. »Und jetzt suchen wir uns ein passendes Fleckchen für das Zelt …«
Sie fanden einen idealen Platz, wie er
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