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Liebe läßt alle Blumen blühen

Liebe läßt alle Blumen blühen

Titel: Liebe läßt alle Blumen blühen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Blickwinkel. Von mir aus wirkte es so, als habe der Monsieur zugeschlagen – sagt der Marquis … Und das leuchtet mir ein! Es kommt nämlich im Leben immer darauf an, wo man steht und aus welchem Blickwinkel man die Dinge betrachtet – ob man sie nur subjektiv relativ sieht – sagt der Marquis.« Andratte seufzte erleichtert auf. Dann schloß er ab: »Man muß sich durch Argumente überzeugen lassen.«
    In diesem Moment spürte Bondeau ein heftiges Jucken im linken Nasenloch. Noch nie hat man gehört, daß Tote niesen. Derartige Situationen sind immer fatal, und meistens treten sie auf, wenn man sie nicht gebrauchen kann. Beispielsweise in einer Oper oder einem Symphoniekonzert, ausgerechnet dann, wenn die schönste Pianostelle gespielt wird, regt sich die Nase. Oder man begrüßt eine besonders wichtige und empfindsame Dame, und statt eines angedeuteten Handkusses niest man ihr kräftig auf den Handrücken. Noch schlimmer ist es, wenn man das Glück hat, aus irgendeinem Grund auf den Fernsehschirm zu kommen und begrüßt die Millionen Zuschauer mit einem Sprühregen über die Mattscheibe. So etwas ist ungeheuer peinlich und nur in den wenigsten Fällen vermeidbar. Eine juckende Nase beansprucht nun einmal ihr Recht, da hilft kein Luftanhalten, kein Massieren des Nasenrückens, kein Verstopfen der Nasenlöcher mit dem Taschentuch oder gar mit den Fingerspitzen, kein Stoßgebet … Erst nach der Entladung überfällt den Menschen ein geradezu extremes Wonnegefühl, das nur durch die Uneinsichtigkeit der Umgebung getrübt wird. Marcel Bondeau versuchte zunächst krampfhaft das uralte, aber meist unwirksame Mittel des Luftanhaltens, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Nach dem Willen des Marquis sollte sein Zustand drei Tage dauern … Wenn er jetzt durch das Niesen wieder in die Welt zurückkehrte, war das zwar seine normale Zeit, an die sich seine Mitbürger schon gewöhnt hatten, aber es behinderte die Pläne seines Geldgebers.
    Und an die 7.000 Francs und die beiden Kisten Alkohol dachte Marcel Bondeau so intensiv, daß ihm einfiel, unter der Decke dem vor ihm stehenden Alain einen Stoß mit dem Fuß zu geben. Dieser verstand die Warnung. Er hakte sich bei dem Sergeanten unter und drängte ihn ins Freie.
    »Es wird gar keine Untersuchung geben«, sagte er dabei und zog den Gesetzeshüter ganz hinaus, die Tür mit einem Knall zuwerfend. »Ich kann da auch nichts sagen. Ich stand, genau wie du, im falschen Blickwinkel …«
    »Aha!« Andratte setzte sich auf die Bank, die vor dem Spritzenhaus stand und an deren Lehne ein Messingschild angeschraubt war, auf das eingraviert war: ›Gestiftet von Monsieur Roger Bérluc.‹ Das war ein Mensch gewesen, der vor zehn Jahren einmal in Mas d'Agon seinen Urlaub verlebt hatte und so begeistert von dem Ort und seinen Bewohnern war, daß er diese Bank stiftete.
    Keiner konnte sich mehr an Roger Bérluc erinnern, aber als die Bank per Frachtgut eintraf, gab es erregte Diskussionen, wo man sie aufstellen sollte. Um niemand zu bevorzugen, wählte man als neutralen Ort das Spritzenhaus. Hier war zwar die Aussicht nicht besonders interessant und auch nicht typisch für die Camargue – man blickte auf den Hinterhof von Sylvester Dragony, dem Schmied, wo es meist nach verbranntem Horn stank, weil er die Pferde beschlug – aber es gab nun keinen Streit mehr.
    Sergeant Andratte streckte die Beine von sich, klemmte die Hände hinter sein Lederkoppel und fragte: »Wer hat nun eigentlich etwas Konkretes gesehen?«
    »Niemand!«
    »Das dachte ich mir! Immer dasselbe! Ha!« Andratte fuhr hoch, und seine Augen weiteten sich. Aus dem Inneren des Spritzenhauses war ein seltsamer Laut gedrungen. Es hatte wie eine helle Explosion geklungen.
    »Was war das? Da … Da drinnen …«
    Alain blieb sitzen und wirkte dadurch beruhigend. Er winkte lässig ab und schraubte eine der mitgebrachten Rotweinflaschen auf. »Fledermäuse …«, sagte er.
    »Was?« Andratte starrte die große Garagentür an.
    »Im Spritzenhaus leben Fledermäuse, Emile.«
    »Und die machen solchen Krach?«
    »Wenn sie irgendwo anstoßen …«
    »Fledermäuse stoßen nirgendwo an. Die haben doch Radar …«
    »Wer sagt denn diesen Blödsinn? Radar! Fledermäuse haben Radar?«
    »Im Fernsehen haben sie das gezeigt, Alain.«
    »Im Fernsehen! Emile, glaubst du etwa alles, was die im Fernsehen zeigen? Gehörst du etwa zu den Menschen, die eine Zeitung lesen und meinen, da stände nur die Wahrheit drin? Ich sage dir, ich habe vorhin

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