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Liebe, lebenslänglich

Liebe, lebenslänglich

Titel: Liebe, lebenslänglich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula von Arx
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er nicht. Wenn er eine gute Note nach Hause brachte, freute er sich nicht. Er sagte, es sei ihre Note, nicht seine.
    Sie suchte lange nach einer Familie in Frankreich, bei der Arnes Französisch fließend werden sollte. Arne jedoch gefiel es nicht in diesem Pariser Haushalt mit acht Kindern. Als umgekehrt dann einer der Söhne der Familie während zwei Wochen bei ihnen wohnte, um sein Deutsch zu verbessern, zeigte Arne nicht einmal ein Minimum an Höflichkeit. Er überließ ihn ganz und gar seiner Mutter. Sie fürchtete, dass seine Missachtung nicht René galt, sondern ihr.
    Das tat weh. Gleichzeitig fühlte sie sich zur Sorge um Arne verpflichtet. Sie hatte die Ermahnungen des Arztes verinnerlicht. Zu jener Zeit saß sie manchmal lange noch an seinem Bett. Sie wachte über seinen Schlaf und verlor sich in Gedanken. Sie erkannte an, dass er erwachsen werden wollte ohne Einschränkungen von ihrer Seite. Aber was, wenn er sich nicht an die ärztlichen Regeln hielt – es würde böse für ihn enden, sie hatte Angst. Meist entschied sie dann, sich einzumischen.
    Als Arne sich entschloss, die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule zu machen, wäre sie ihm gerne beigestanden. Sie kannte den Direktor, das hätte von Nutzen sein können, sagt sie noch heute. Doch er wollte ihre Hilfe nicht. Er ging zur Prüfung, ohne sie zu informieren. Das überforderte ihr Verständnis. Wie nur konnte er, wenn sie ihm etwas geben wollte, glauben, sie beraube ihn?
    In den Ohren Arne Schmidts hörten sich ihre Anregungen an wie meckernde Befehle. Er erinnert sich an Übergriffe und Kontrolle. Sie habe sein Zimmer betreten, ohne zu klopfen, er verdächtigte sie, in seinen Schubladen zu wühlen, und einmal entdeckte er in ihrem Sekretär einen Liebesbrief an ein Mädchen seiner Klasse. Es war ein Brief mit der Frage »Liebst du mich?«, »Ja«, »Nein«, »Vielleicht« und mit der Bitte, das Zutreffende anzukreuzen. Er habe seine Mutter gebeten, den Brief zur Post zu bringen, sagt er, doch sie hatte ihn zurückbehalten. Er habe sie daraufhin zur Rede gestellt und noch heute kann er ihre Antwort kaum fassen: »Sie sagte, sie habe mir damit einen Gefallen getan, denn mit einem solchen Brief könne man kein Mädchen für sich gewinnen.«
    Als er siebzehn Jahre alt war, konnte Arne die Medikamente gegen die drohende Epilepsie absetzen. Doch bis dahin durfte er keinen Tropfen Alkohol zu sich nehmen. All die Feste, bei denen seine Freunde ihre Unschuld verloren, endeten für ihn Punkt zehn Uhr, wenn die Silhouette seiner Mutter im Türrahmen erschien und sie ihn ins Auto dirigierte. Sie blamierte ihn damit vor allen, so sah er das. Arne reagierte darauf wie sein Vater reagierte, wenn er wütend war: Er wurde nicht laut, er wurde kalt.
    Hatte Arne sich in der Grundschule noch um Anpassung bemüht, fand er sich im Gymnasium mit dem Außenseitertum ab. Niemand schien irgendwelche Vorzüge an ihm zu entdecken, also musste er es selbst tun. Seine Erziehung half ihm insofern, als er keine Angst davor hatte, sich malend und schreibend ein eigenes Universum zu schaffen. »Es war eine harte Zeit«, sagt er, »aber ich war entschlossen, sie durchzustehen, und zwar alleine.« Seine Eltern konnten ihm nicht helfen, seine Mutter schon gar nicht. Wenn sie ihn berührte, wischte er die befallene Stelle ab. Von der »panischen Realität«, die sie in seinen Augen um sich verbreitete, von ihrer »Pflichtversessenheit« und ihrer Fixiertheit auf Schulnoten ließ er sich nicht anstecken: »Ihr Leben fand in einem Käfig statt. Sie stand mir vor der Aussicht.«
    Wie anders erlebte er seinen Vater. Der ermutigte Arne, nach den Sternen zu greifen. Und wenn sich dabei Angst oder Zweifel einstellen sollten, lehrte Rainer seinen Sohn, das sei kein Grund zur Umkehr, sondern im Gegenteil ein sicheres Zeichen, dass er sich auf spurenfreiem Neuland befinde. »Meine Mutter zählte jeweils Risiken auf, mein Vater blendete sie aus. Meine Mutter hielt sich an Regeln, mein Vater veränderte sie.«
    Natürlich hoffte seine Mutter auch, dass Rainer seinen Einfluss als Vater nutzen würde, um bei Arne Interesse etwa für ein Wirtschaftsstudium zu wecken. Doch der tat das Gegenteil: Er machte ihn frei und ermutigte ihn, die Erwartungen anderer zu missachten. Er lebte vor, wie man sich selbst neu erfindet – vom Werber zum Unternehmensberater, zum Maler und zum Seminarleiter für Manager. Gegen einen solchen Vater in Opposition zu gehen, wäre Arne absurd erschienen. Dass er sich

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