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Liebe oder so

Liebe oder so

Titel: Liebe oder so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Montag
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machte.
    Sie winkte ab. „Geht halt so.“ Ich wusste, dass ihr Mann letzten Sommer eine schwere Operat ion hinter sich gebracht hatte und seitdem die Wohnung kaum noch verließ.
    „Kann ich eine haben?“, fragte sie.
    „Hm?“
    „Na, eine Zigarette! Hätten Sie eine übrig für mich?“
    „Sicher.“ Ich steckte das Feuerzeug in die angerauchte Schachtel und ließ sie in ihre ausgestreckten Hände fallen.
    „Da unten hat sich wieder ne Menge Dreck angesammelt“, sagte sie und zerrte Beweisstück A unter meinem Balkon hervor, ein zerfetztes Konzertplakat.
    Meist blies der Wind irgendwelchen Müll, gelegentlich auch mal ein Wäschestück in diese Ecke hinein. Einmal hatte ich einen zerplatzten Luftballon gefunden, an dem noch eine Postkarte hing. Ein Mädchen aus dem nächsten Ort hatte sie auf einem Schulfest verschickt, es ging darum, wessen Ballon am weitesten fliegt. Ich hatte Christian damals die Karte mitgegeben, damit er sie von New York aus an das Mädchen zurück schickt und ihr davon berichtet, wie die Schnur, an der sie befestigt war, sich in der Fackel der Freiheitsstatue verheddert hatte.
    Meine Nachbarin warf mir die Zigaretten zu und hielt sich beim Rauchen die Hüfte. Es ging bergab mit ihr, und sie konnte nichts dagegen tun. Ich schätzte sie auf etwa sechzig, ihr Mann war schon seit Jahren in Rente. Einmal hatte ich ihr beim Tragen der Einkaufstaschen geholfen und dabei einen Blick in ihre Wohnung werfen können. Ehrlich gesagt, konnte ich ihr nicht verdenken, dass sie sich auch im Winter lieber draußen aufhielt, aber vielleicht dachte sie ja in diesem Moment dasselbe über mich und meine Wohnverhältnisse.
    „ Alex?“ Carolin kam zu mir auf den Balkon. Sie winkte meiner Nachbarin und hielt mir das Telefon hin. „Hier – ist für dich.“
    „Hallo?“
    Es war Marie. Sie begann sehr vorsichtig und vermied es, die Party anzusprechen. Sie rief von einer Telefonzelle aus an, und ich wunderte mich zum wiederholten Mal darüber, dass ein Mädchen wie sie kein Handy besaß.
    „Hör zu, mir liegt sogar sehr viel an dir, aber…-“, begann ich gerade, als es in der Leitung schepperte. „Marie? Bist du noch da?“
    „Ja, ich hab nur Kleingeld nachgeworfen.“
    „Verstehe. Wo war ich?“
    „Bei mir. Ich bin dir wichtig.“
    „Äh... ja.“ Ich hatte den Faden verloren.
    „Ja?“
    Carolin zeigte mir im Vorübergehen eine Faust. Hart bleiben hieß das.
    „Jedenfalls hab ich keinen Bock mehr darauf, immer nur die zweite Geige bei dir zu spielen “, platzte ich drauflos. „Ich will dich, aber ich will dich ganz, verstehst du?“
    Schweigen. Ich dachte bereits, sie hätte aufgelegt, aber dann hörte ich sie atmen. Es schepperte erneut, als sie ein paar Münzen einwarf, dann herrschte wieder Stille.
    „ Marie?“, fragte ich schließlich.
    „Ich bin noch da.“
    „Das war’s im Wesentlichen.“
    „Was soll ich jetzt sagen?“
    Ich spürte, wie die Wut auf sie wieder hoch kam. „Das musst du schon selbst wissen. Wenn es dich kalt lässt, was ich gesagt habe, hat es eh keinen Sinn.“
    Wi eder verstrichen lange Sekunden. Wie lange muss sie eigentlich noch nachdenken?, ging mir durch den Kopf, aber ich behielt es für mich.
    „Du kannst mir doch nicht einfach so was an den Kopf schmeißen - und dann auch noch am Telefon!“
    „ Und wieso nicht? Ist doch völlig egal, ob ich dir das am Telefon-“
    „Scheiße!“ Es gab einen Knall in der Leitung. „Du, mein Kleingeld ist alle“, sagte sie, als sie wieder an der Strippe war, „ich meld mich wieder, okay?“
    Klick.
    „Okay“, sagte ich in das Besetztzeichen hinein.

 
    32
     
    Eines Tages - ich hatte die Entwürfe mal beiseite gelegt und reparierte gerade meinen Radiowecker - meinte Carolin aus einer Laune heraus: „Wie wär’s, wenn wir alle ans Meer fahren?“
    „Wer ist wir alle ?“, fragte ich, ohne aufzusehen. Beim Versuch, das Gehäuse zusammensetzen, fiel eines der winzigen Schräubchen vom Tisch. Ich setzte ihm nach und suchte den Boden danach ab.
    „Na, du, ich, Marie, Armin, Remy… Wer eben mit will.“
    Caro stand direkt vor mir, mein Blick folgte ihren Be inen nach oben bis zu ihrem Gesicht. Die Vorfreude war ihr anzusehen .
    „ Schön, ich bin dabei“, sagte ich. „Aber vergiss das mit Marie, ja?“
    „Wieso?“
    „Weil ich ihr meinen Teil gesagt habe und es an ihr ist, den nächsten Schritt zu tun. Wenn sie reden will, wird sie schon kommen. Das müssen wir ja nicht grad vor allen Leuten machen.“ Ich

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