Liebe ohne Schuld
anschließend dem Arzt, was geschehen war.
»Arielle Leslie, armes, kleines Mädchen! Nun, dann wollen wir sie uns einmal ansehen. Was haben Sie überhaupt mit ihr gemacht?«
Eine gute Frage, dachte Burke, doch er antwortete nicht, sondern ging nur rasch in Arielles Zimmer voraus.
»Sie ist inzwischen erwachsen geworden«, bemerkte der Arzt, während er auf sie hinuntersah. »Offnen Sie die Augen, Mädchen, und sagen Sie, wo es wehtut!«
Arielle stöhnte nur. »Mein Kopf. Schreckliche Schmerzen!«
Doktor Arkwright brummte. »Ich schätze Frauen, die wenig Worte machen. So, Mädchen, jetzt öffnen Sie die Augen und sagen Sie mir, wieviel Finger ich hochhalte!«
Schweigend trat Burke zurück und beobachtete, mit welcher Umsicht der alte Mann Arielle untersuchte. Einige Minuten später drehte sich Doktor Arkwright zu ihm um. »Ich kann ihr im Augenblick wegen der Gehirnerschütterung kein Schmerzmittel geben. Wecken Sie sie alle paar Stunden auf und fragen Sie sie, wie sie heißt und wo sie sich befindet. In acht Stunden etwa kann sie dann ein Schmerzmittel bekommen. Ich werde es verschreiben.«
Erst in diesem Augenblick fand Dorcas ihre Sprache wieder. »Er wohnt doch gar nicht hier! Er hat sie nur nach Hause gebracht.«
Doktor Arkwright sah Burke an und brummte wieder. »So ist das also.«
Als die beiden kurze Zeit später das Haus verließen, erkundigte sich Burke nach Arielles Aussichten. »Wie lange wird es wohl dauern? Wird sie es überstehen?«
»Wenn ich irgendwelche Befürchtungen hätte, würde ich jetzt nicht gehen. Regen Sie sich nicht auf. Morgen früh wird sie schon wieder in der Badewanne singen!«
»Ich habe mich sehr erschreckt, als sie über den Hals des Pferdes geflogen ist.«
»Das ist nur verständlich«, meinte Doktor Arkwright. »Sie ist wirklich eine Schönheit! Manchmal habe ich mir überlegt, wie sie jetzt wohl aussieht. Seit Sir Arthurs Tod habe ich sie nicht mehr zu Gesicht bekommen. Werden Sie morgen wiederkommen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen?«
Burke nickte und wartete, bis Doktor Arkwright seinen kleinen Wagen bestiegen hatte und davongefahren war.
»Geht es ihr gut?«
»Ja, Geordie. Doktor Arkwright hat es geschworen. Sie passen ein wenig auf, nicht wahr?«
»Ja, das mache ich. Der alte Philfer ist ja nicht sehr zuverlässig.«
Burke wäre am liebsten noch länger geblieben, doch es gab keinen Grund mehr, und so kehrte er widerstrebend nach Ravensworth Abbey zurück, wo er einen langen Abend und eine unruhige Nacht verbrachte.
»Singt sie schon wieder?« war seine erste Frage, als er Dorcas am darauffolgenden Morgen begrüßte.
Die alte Frau lächelte. »Beinahe. Möchten Sie sie sehen?«
Burke konnte es kaum fassen, daß ihn offenbar jeder in Arielles Umgebung mochte. Nur Arielle war widerspenstig und bekämpfte ihn. »Aber natürlich«, antwortete er und folgte Dorcas nach oben. »Sie betreuen sie schon immer, nicht wahr?«
»Ja, früher war sie ganz reizend, offen, herzlich und fröhlich.«
»Schade, daß sie sich so verändert hat.«
»Was haben Sie denn erwartet? Das mußte doch so kommen! Arielle, ich bringe einen Besucher mit.«
Sie wandte sich unter der Tür um und deutete hinter sich in den Flur, doch Arielle rief bereits mit gequälter Stimme: »Bitte, nicht, Dorcas! Bitte, ich möchte niemanden …«
»Hallo, Arielle! Ich bin es nur. Nun, Sie sehen ja bereits recht gut aus. Was macht der Kopf?«
In Wirklichkeit sah sie miserabel aus. Ihr Haar war zerzaust, das Gesicht bleich wie die Wand, und an der linken Schläfe prangte eine Beule, die in allen Regenbogenfarben schillerte. Arielle zog sich die Decke bis zum Kinn und drückte sich eng an das Kopfteil ihres Betts. Als er einen Schritt auf sie zutrat, hörte er, wie sie nach Luft schnappte.
Irgendwie ist ihr Verhalten seltsam, dachte er irritiert. Fast wie ein junges Mädchen, das niemals verheiratet war.
Solange ihre Kammerzofe anwesend war, mußte sie sich doch keine Sorgen machen. Also, weshalb benahm sie sich so eigenartig?
Er versuchte ein Lächeln. »Ich war ein wenig besorgt und möchte gern wissen, ob es bei unserer Verabredung am Freitag bleibt?«
Sie nickte, doch bevor sie die Augen senken konnte, sah er, daß sie gelogen hatte. Sie hatte ganz offensichtlich ihre Meinung geändert. Ob sie kränker war, als Doktor Arkwright meinte?
Was sollte er jetzt tun? Gehen wollte er noch nicht, jedenfalls nicht sofort. »Haben Sie eigentlich schon gefrühstückt?«
Sie schüttelte den
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