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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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aussehen“, sagte sie ermunternd und zählte selbstlos die Namen der Frauen auf. „Sie werden dir gefallen.“
    Es gab hübsche Frauen in der Bibliothek. Ich ahnte, dass sie diese darum erwähnte, damit ich sie für mich mit ihr verglich. Dass es sich hierbei um einen Liebeskunstgriff handelte. Oder eher um einen zaghaften Versuch, mir anzudeuten, dass nun ich an der Reihe sei, einen Schritt zu tun, wenn mir danach sei. Und dann wurde die Stille zu groß.
    „Ein polnischer Pfarrer hat einmal gesagt“, fügte sie, ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen, hinzu, „dass der Liebesakt wie ein Gebet sei. Und das Gebet ein Liebesakt mit Gott. Hast du das noch nie gehört?“
    Ich hatte es schon einmal gehört, wobei ich eher dachte, der Ausspruch stamme von einer italienischen Schauspielerin. Ich antwortete jedoch nicht, da ich mir den Kopf darüber zerbrach, weshalb sie das jetzt gesagt hatte. Genauer gesagt wusste ich es, glaubte es nur nicht, da sie es auch aus einem anderen Grund hätte sagen können.
    Mit den Dingen der Wirklichkeit ging es mir immer so. Ich wusste, dass es sie gab, ich hatte über sie gelesen, man hatte mir von ihnen erzählt, als sie dann jedoch mit mir passierten, dachte ich stets, nein, das ist es nicht, das ist etwas Anderes. Etwas, das der besagten Sache nur ähnlich sei. Ein gutes Beispiel dafür ist der Frühling. Ich kenne ihn mittlerweile ganz gut, habe schon über vierzig von ihm gesehen, wenn er dann jedoch tatsächlich da ist, kann ich es bis heute eine ganze Weile nicht glauben, denn für mich ist noch Winter, und ich trage einen Mantel bei einem Wetter, bei dem ich im Herbst im Hemd herumlaufe, weil dann für mich noch Sommer ist.
    „Tamás, ich flehe dich an“, sagte Kornél im Laufe der Jahre immer wieder zu mir. „Sieh doch endlich ein, das ist
es
. Nicht etwas Ähnliches. Das hier ist jetzt – genau
das
!“
    Ich wollte mich dem Gefühl hingeben, wurde jedoch von dem Gedanken abgelenkt, dass Kornél in der Lage war, kursiv zu sprechen. Dabei wollte ich mich konzentrieren, denn das hier war jetzt wirklich
das
: Wir saßen auf dem
Stein der Weisen
, den meine Freunde auch den
Fels der Idioten
nannten.
    „Mir wird es wohl sogar noch mit meinem eigenen Tod so gehen“, rechtfertigte ich mich nervös vor Kornél, der nun schwieg, weil es ihm damit ähnlich ging. „Es tut mir leid.“
    „Du wirst also gar nicht sterben?“, fragte Gábor spöttisch, dabei ging es ihm mit seinem eigenen Tod auch so. „Erzähl! Wie machst du das?“
    „Das kann doch nicht dein Ernst sein, dass du das nicht verstehst“, sagte Kornél, dabei wusste er, dass Gábor mich verstand, nur seine Rolle spielte. „Tamás sagt, er werde nicht einmal sein eigenes Sterbebett rechtzeitig erkennen. Und dass ihn das nicht mit Freude erfüllt.“
    „Das war ein Scherz“, antwortete Gábor.
    Er hatte gute Laune. Neuerdings teilten sie sich die Probleme. Kornél hatte die Gesellschaftswissenschaften bekommen und er die Naturwissenschaften. Und so fühlte er sich wesentlich besser: Er konnte sich unseren kleinen Problemen, wie zum Beispiel dem Tod, von der Astrophysik her nähern und dazu auch noch hämisch grinsen.
    „Übers Chaos schreibt Hawking also“, sagte er, hartnäckig an dem von ihm aufgeworfenen Thema festhaltend, wo ich doch gerade dabei war, endlich zu erzählen, was zwischen Schwesterchen und mir damals eigentlich geschehen war, „dass, damit irgendwo auf der Welt ein wenig Ordnung entstehe, unglaublich viel Energie notwendig sei, und diese würde von woanders entzogen werden, wo das Chaos folglich wachse. Also, je höher der Grad der Ordnung ist, die du irgendwo schaffst …“
    „Beispielsweise, indem du dich von Timi trennst“, sagte Kornél und warf mir hinter Gábors Rücken einen komplizenhaften Blick zu, den dieser natürlich bemerkte, da er es kaum erwarten konnte, dass sich seine beiden Freunde, die sich durch ihn kennengelernt hatten, komplizenhafte Blicke zuwarfen und nun, da es geschehen war, vor Freude fast zerplatzte. „Aber diesmal endgültig.“
    „Timi lassen wir mal lieber aus dem Spiel“, sagte Gábor und fuhr rasch fort. „Je höher also der Grad der Ordnung ist, die du irgendwo schaffst, desto größer ist das Chaos, das du irgendwo anders entstehen lässt. Es wird bedeutend größer sein. Und darauf sollten wir trinken.“
    Das taten wir.
    „Dass wir zu dritt hier auf dem Felsen sitzen“, fügte er hinzu, „stellt zum Beispiel einen ziemlich hohen Grad an Ordnung

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