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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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erhalten, und bei Giuliano Mazocco wartete ein eigenes Zimmer auf sie. Der sich womöglich doch nicht so sehr über mich freuen würde, und das ahnte sie auch. Sie hatte bereits seit Jahren geplant, nach Italien zu fahren. Sie hatte niemanden. Die Mädchen mochten sie nicht und die Männer verließen sie stets nach wenigen Wochen.
    „Du wirst also Archäologe. Stell dir vor, ich wollte früher auch Archäologin werden. Sie taten mir nur so leid.“
    Traurig schüttelte sie den Kopf.
    „Wer?“
    „Na die Alten. Kennst du die Vitrine auf dem Gang, wo die Aufzüge sind? In der der Urmensch ist.“
    „Ja, klar.“
    „Er ist so zu bedauern, der Arme, nicht? Da sind seine Werkzeuge und dieser kleine Kopf. Man hat ihn umgebracht, wusstest du das?“
    „Ja“, sagte ich. „Auf dem Schädel ist die Spur des Schlages zu erkennen.“
    „Stell dir vor, zuerst habe ich es gar nicht bemerkt. Bis es mir jemand gezeigt hat. Dass man ihn umgebracht hat. Wir bringen alle um, die wir lieben.“
    Sie setzte mir die Kopfhörer auf, denn die Stimme von Maria Callas würde sowieso alles sagen.
    „Ihre Stimme sagt alles“, erklärte sie mir. „Einfach alles. Bellini. Casta Diva. So heißt die Arie. Stimmt’s, sie sagt alles?“
    Ich verstand sie nicht, weil ich die Kopfhörer aufhatte. Sie wiederholte die Frage, ich verstand sie wieder nicht, sie bedeutete mir, es sei nicht schlimm, und ich nickte, als hätte ich sie beim zweiten Mal verstanden und als sei ich auch der Meinung, die Stimme sage alles.
    „Es wäre wirklich toll, wenn du mitkommen würdest. Zumindest am Anfang. Für ein oder zwei Wochen. Einfach nur zusammen durch Italien fahren. Den Stiefel entlang, ganz bis in den Süden. Interessiert dich der Stiefel denn gar nicht? Wir würden trampen! Und dort würde uns niemand kennen. Du müsstest dich nicht für mich schämen.“
    „Schämen?“
    „Ich weiß, dass du dich für mich schämst. Wegen meines Bruders.“
    „Wie kommst du darauf?“
    „Weil du nicht willst, dass man dich mit mir sieht.“
    „Du willst nicht, dass man mich mit dir sieht.“
    Sie machte wirklich ein Geheimnis daraus. Ehrlich gesagt beruhigte mich das, so sah es so aus, als würde sie nicht zu mir stehen und nicht andersherum.
    „Ja, aber nur deinetwegen. Ich will nicht, dass du dich wegen meines Bruders schämen musst.“
    Ich antwortete nicht.
    „Ich schäme mich ja auch ein bisschen für meinen Bruder“, sagte sie, um mich zu beruhigen. „Dabei liebe ich ihn. Ich muss nur immer daran denken, dass mein Kind, wenn ich eines hätte, bestimmt so wäre wie er. Du hast auch Angst davor, stimmt’s?“
    „Wovor?“, fragte ich, als wüsste ich nicht, was sie meinte.
    „Dass unser Kind wie Elemér werden würde. Dabei ist er ein Engel. Absolut. Genau wie du.“
    Ich verzog den Mund.
    „Das ist es doch, wovor du Angst hast, oder? Du kannst es ruhig sagen.“
    „Ja.“
    „Ich weiß. Das ist in Ordnung. Aber wir werden kein Kind bekommen, keine Angst.“
    Beim zweiten Mal bat ich sie, Maria Callas hören zu dürfen. Und sie fuhr an dem Punkt fort, an dem wir die Unterhaltung beendet hatten. Sie hatte darüber nachgedacht und beschlossen, das zu bekräftigen, was sie beim letzten Mal gesagt hatte.
    „Ich will von niemandem ein Kind, keine Angst.“
    Wir schwiegen.
    „Wirklich.“
    Wir schwiegen.
    „Bist du meiner überdrüssig geworden?“
    Ich schüttelte den Kopf. In so kurzer Zeit kann man niemandes überdrüssig werden.
    „Du willst bloß nicht mehr mit mir sein?“
    Wir schwiegen.
    „Wenn du willst, fahre ich nicht.“
    „Wohin?“, fragte ich ehrlich, da mir gar nicht in den Sinn kam, dass sie an Italien dachte.
    „Na, nach Italien. Soll ich hierbleiben?“
    „Auf keinen Fall. Du musst hinfahren.“
    „Sicher?“
    „Ja, klar. So eine Möglichkeit darf man nicht auslassen.“
    „Und willst du ganz sicher nicht mitkommen? Ich weiß, du hast keinen Pass. Das ist so schade. Es wäre so schön gewesen. Ich denke, sogar Giuliano hätte sich über dich gefreut. Im ersten Moment vielleicht nicht. Aber dann schon. Er ist auch sehr allein. Wie jeder. Oder soll ich lieber nicht fahren? Hm? Tamás, wenn du willst, bleibe ich.“
    „Nein, fahr.“
    „Das Problem ist, dass du dich für mich schämst“, sagte sie. „Für mich wäre das ja gar nicht schlimm, ich weiß nur, dass es für dich schlimm ist. Wenn du dich nicht für mich schämen würdest, würde ich bleiben.“
    „Du fährst also.“
    „Soll ich nicht?“
    „Doch. Ich bitte

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