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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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Jónás, womit er in die Falle getappt war. „Wenn ich mich nicht täusche, am 30. September. Karpfen fangen. Ein letztes Mal, bevor der Winter kam.“
    „Und du, Pali?“
    „Ich war auch am Fischteich.“
    „Wir waren doch zusammen dort, du Leuchte“, sagte Onkel Jónás.
    „An die Donau geht ihr wohl gar nicht mehr?“, fragte Vater wie nebenbei. Mich überkam ein unerwartetes Glücksgefühl: Vater scheute sich nicht, ein so bedeutungsschweres Thema in meiner Gegenwart anzusprechen. Er befürchtete nicht, ich könnte ihn verraten.
    „An die Donau?“, fragte Onkel Jónás und winkte ab. „Wer geht denn schon an die Donau? Das ist doch kein Wasser. Das ist ein Abwasserkanal. Unterhalb von Budapest überlebt darin nichts mehr. Allein schon hineinzupinkeln wäre verantwortungslos.“
    „Wieso?“, fragte Vater lachend. „Hast du es probiert?“
    „Gott bewahre! Davon kann man impertinent werden.“
    „Was heißt impertinent gleich noch mal?“, fragte Vater in unschuldigem Ton. „Mach mir keine Angst, Jónás.“
    „Mann verliert seine Manneskraft.“
    Ich sah, dass Vater sich nicht traute, mich anzusehen, um nicht loszulachen. Zum Glück kannte ich das Wort
impotent
noch nicht wirklich, aber Vaters Gesichtszüge verrieten mir, dass die Situation über eine gewisse Komik verfügte, und ich ihn von nun an nicht mehr ansehen durfte. Mich überkam wieder das Glück vom Nachmittag: Ich war erwachsen geworden! Mein Vater und ich mieden den Blick des anderen, um nicht loszuprusten.
    „Ach, komm schon. Hast du schon mal davon gehört, dass jemand in die Donau gepinkelt hat und danach nicht mehr konnte?“
    „Ja, klar, und nicht nur von einem“, sagte Onkel Jónás grinsend. „Da haben wir zum Beispiel Pali. Stimmt’s, Pali? Wann warst du das letzte Mal mit einer Frau intim?“
    „Nicht heute, das steht schon mal fest“, sagte Pali stolz. „Und auch nicht gestern.“
    „Und auch nicht vorgestern.“
    „Doch, Onkel Jónás, ich glaube, es war gerade vorgestern.“
    „Und wann hast du das letzte Mal in die Donau gepinkelt?“
    „Vor ungefähr zwanzig Jahren.“
    „Na, damals konnte man das Wasser ja noch trinken“, sagte Vater absichtlich naiv.
    „Fünfundfünfzig?“, fragte Onkel Jónás, das Wort
Sechsundfünfzig
umgehend, empört. „Trinken? Das kannst du mir nicht einreden. Hier, unterhalb von Budapest, kann man das Donauwasser seit dreißig Jahren nicht mehr trinken.“
    „Seit wann wohnst du eigentlich in Nyék, Jónás?“
    „Seit Februar ’58.“
    „Als deine Uhr hinuntergefallen ist?“
    „Ja.“
    „Was genau ist damals passiert?“
    „Habe ich dir das noch nicht erzählt?“
    „Doch, aber der Junge hat es noch nicht gehört.“
    Ich hatte die Geschichte zwar schon gehört, Vater log trotzdem nicht, denn Onkel Jónás erzählte sie jedes Mal anders. Außerdem wusste ich, dass Vater Onkel Jónás die Geschichte nur erzählen ließ, um das Thema Wasserkraftwerk ein bisschen ruhen zu lassen, bevor er wieder darauf zu sprechen kam. Dennoch freute ich mich darauf, Onkel Jónás zuzuhören, und nickte daher eifrig: Ja, es stimme, ich kenne sie noch nicht.
    Vater goss Onkel Jónás noch ein Gläschen ein, und dieser erzählte uns noch einmal die abenteuerliche Geschichte. Die Version von diesem Tag lautete: Kurze Zeit nach seiner ersten Scheidung fuhr er nach reichlichem Bier- und Schnapsgenuss mit dem Abendzug von Budapest nach Pilótahalom, wo er damals als Bereichsleiter arbeitete. Nach Unter-Nyék ging er auf die Toilette. Irgendwie löste sich beim Pinkeln das Armband seiner Uhr, und diese fiel durch die Toilettenschüssel auf die Bahngleise. Jeder andere wäre in dieser Lage verzweifelt, nicht so Onkel Jónás. In Ober-Nyék stieg er seelenruhig aus, spazierte zurück an den Schauplatz und suchte zwischen den Gleisen auf allen vieren nach der Uhr. Es war schon dunkel, und er hätte sie vielleicht bis zum Morgen nicht gefunden, aber als er so laut vor sich hin fluchte, kam aus einem der Häuser eine Witwe mit einer Taschenlampe. Die Frau, die dann seine zweite Ehefrau wurde, beschimpfte ihn: „Sie Schnapsnase, was brüllen Sie denn hier herum, gehen Sie gefälligst woanders hin, wenn Sie unbedingt brüllen müssen.“ Diese Frau kam, wie sich bald herausstellte, ebenfalls aus Siebenbürgen, sie war eine Siebenbürger Sächsin. Als sie erfuhr, was Onkel Jónás zwischen den Gleisen suchte, brach sie in ein so herzliches Lachen aus, dass Onkel Jónás all den Argwohn vergaß, den er

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