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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: István Kemény
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Form von geweißten Waschküchen und größeren Schweineställen, in denen geschiedene Männer, bärtige Studenten und trinksüchtige Frauen unterkamen. Und hin und wieder eben auch Szalai und die alte Frau.
    Zu dieser Zeit wohnten die beiden zum Beispiel am Rand der Kalksteinhochebene namens
Barackos
in einer Hütte, die auch schon bessere Zeiten gekannt hatte, zu denen ausnahmsweise sogar die furchtbaren Anfänge der fünfziger Jahre zählten, in denen die Bude zum letzten Mal wie ein zwar vernachlässigtes, aber hübsches Kelterhaus ausgesehen hatte. Damals war es von einem alten Mann bewohnt worden, einem ehemaligen Landbesitzer, dessen gesamte Verwandtschaft im Krieg gestorben oder emigriert war, und dem man alles, außer diesem kleinen, weinberglosen Kelterhaus, weggenommen hatte. Völlig zerlumpt war er aus einem Lager zurückgekehrt, um die restliche Zeit seines Lebens hier zu verbringen, wenn sie ihm nun einmal verblieb. Er machte sich daran, diese Aufgabe zu erfüllen. Als er sich jedoch am ersten Abend schlafen legte, hörte er ein lautes Poltern. Oder eher Trappeln. Er dachte, sein an der Front gefallener Sohn käme nach Hause geritten. Um diesen gebührend zu empfangen, stand er auf, doch im Stehen hörte er nichts. Er legte sich hin und da hörte er das Geräusch wieder. Als es ihm endlich gelang einzuschlafen, verwandelte sich das Poltern erneut in ein Pferdegetrappel. Sein Sohn kam. Er kam die ganze Nacht über. Und die nächste Nacht wiederholte sich das Ganze: Er kam und gleichzeitig auch nicht. In der dritten Nacht geschah das Gleiche. Der alte Mann war schon dem Wahnsinn nahe, und wäre wohl auch verrückt geworden, wenn nicht, wie die Legende von Nyék besagt, gerade japanische Geologen in die Gegend gekommen wären, und das Rätsel gelöst hätten: Unter dem Kelterhaus floss tief in der Erde ein breiter unterirdischer Fluss. Ja, vielleicht wäre es auch nicht übertrieben zu behaupten, dass dieses quer unter dem Flussbett der richtigen Donau fließende Gewässer eine zweite Donau war. Da er nun die Ursache kannte, konnte sich der alte Mann ruhig schlafen legen und musste nicht mehr seinen toten Sohn erwarten. Er wurde auch nicht verrückt, sondern lebte noch viele Jahre in großer Armut und Einsamkeit. Er nahm Gelegenheitsarbeiten an und hielt sich bis zu seinem Lebensende kerzengerade. Denn diese alten Landbesitzer, so sagt die Legende von Nyék, waren noch aus ganz anderem Holz geschnitzt. Später bezogen Szalai und die Alte dieses verlassene, baufällige Kelterhaus.
    Vater wähnte sich nun leichtsinnigerweise fest im Sattel und schlug einen leicht rügenden Ton an:
    „Und nun verrate du mir mal, was du hier machst.“
    „Ich habe geträumt, dass man bei dir eingebrochen hat“, sagte Gerda die halbe Wahrheit.
    „Weil du in einer falschen Position schläfst. So kann man gar nicht tief schlafen.“
    Das stimmte, denn Gerda benutzte ihr Bett schon seit ungefähr zwei Jahren nicht mehr, sondern schlief demonstrativ zusammengerollt wie eine Katze an verschiedenen Stellen der Wohnung. Auf dem Boden, dem Fensterbrett. Sie war nicht davon abzubringen. Sie behauptete, das sei gut für sie. Das hatte sie einmal in einem italienischen Spätabendfilm im Fernsehen gesehen. Er handelte von einem extravaganten und depressiven Mädchen, das eine Dame von Welt sein wollte, aber schließlich die alles wegfegende große Liebe fand.
    „Ein Esel schimpft den anderen Langohr“, erwiderte Gerda frech, weil gerade Vater ihren prophetischen Traum herunterspielen wollte, er, der die Träume aller Familienmitglieder sammelte und sortierte. „Du schläfst ja nachts nicht einmal.“
    Die Anspielung auf die anstrengende nächtliche Arbeit war nett gemeint, Vater bekam sie aber in den falschen Hals.
    „Das ist etwas anderes.“
    „Ja, ich weiß … Aber ein bisschen mehr Begeisterung könntest du trotzdem zeigen. Man vollbringt hier Wunder für dich, träumt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist … oder zumindest etwas passiert ist, rennt wie verrückt zu dir …“
    „Na ja, ganz falsch hast du ja nicht gelegen“, gab Vater zu. „Aber du siehst, Gott sei Dank ist alles in Ordnung.“
    „Und ich finde, das war ein Wunder. Ich hatte einen prophetischen Traum und Schluss.“
    Jetzt sah es so aus, als würden sie doch aneinander vorbeilavieren, mit dieser kleinen Stichelei ihr
großes klärendes Gespräch
umgehen, und sich am nächsten Tag kaum dafür schämen müssen. Schließlich war es zu dieser Stichelei zu

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