Liebe und andere Parasiten
erwischen. Sie wechselte den Arbeitsplatz und zog in eine Behörde; eine vielversprechende junge Parasitologin, Isobel, sollte ihre Forschungsgruppe leiten, während sie ihrer neuen Arbeit nachging. Doch diese Veränderungen nahmen sie nicht so in Anspruch, wie sie es gern gehabt hätte.
Am Freitag nach Alex’ Abreise kam Karin zu Gesprächen mit ihrer Plattenfirma in die Stadt. Als sie sich hinterher mit Bec traf, sah sie aus, wie direkt der Vogue entsprungen. Sie hatte sich die Haare knallrot gefärbt und trug ein kurzes Tweedkleid, rote Tights, Brogues und einen flotten Federhut. Die Plattenfirma stellte ihr einen Wagen mit Chauffeur zur Verfügung. Als sie an dem Restaurant vorfuhren, das Karin ausgesucht hatte, traten zwei Fotografen an sie heran, machten ein Bild und verschwanden wieder, ohne etwas zu sagen.
»Ist das immer so bei dir?«, sagte Bec.
»Vielleicht wollten die eigentlich dich ablichten.«
»Wieso das denn?«
»Ihr seid jetzt Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, du und Alex.«
»Sind wir das?«
Karin erzählte Bec, dass die Jungs von The What – »meine jungen Männer«, nannte sie sie – auf Tournee waren, und dass sie ihr fehlten, und wie gut sie im Studio in Petersmere zusammengearbeitet hatten, und dass ihr Album bald erscheinen würde. »Wir haben I Want to See the Bright Lights Tonight gecovert. Das ist so was von Siebziger, ich höre mich an wie Suzi Quatro mit Devil Gate Drive «, sagte sie. »Meine Jungs haben im Takt mit den Füßen gestampft.« Sie lachte und zog die Nase kraus.
»Wäre nett, sie kennenzulernen«, sagte Bec, gerührt davon, dass Karin dachte, sie wüsste, wer Suzi Quatro war, und sie wünschte, sie wäre damals im Sommer bei ihrem Bruder mit im Garten gewesen, hätte Ketten aus Gänseblümchen geflochten und verträumt die Pfoten der Jungs abgewehrt, ihrem Gesang gelauscht. »Brauchst du jemand, der mit dem Tamburin auf der Bühne steht?«
Karins Grauen davor, von wissenschaftlichen Theorien verseucht zu werden, war früher ein Hindernis zwischen ihnen gewesen. Jetzt, da Bec über eine nahe Zukunft sprechen konnte, in der sie Auslandsreisen unternahm, Bankette besuchte und Filmstars auf Reisen durch die Malaria-Gebiete Afrikas begleitete, gab es keine Barrieren mehr. Nach zwei Gläsern Wein erzählte Bec Karin, dass ihre Versuche, schwanger zu werden, ihr Zeitempfinden verändert hatten.
»Früher war es so, dass hier die Arbeitswelt war und dort die Nicht-Arbeitswelt, und wie sie sich ausdehnten und zusammenzogen hing immer zusammen«, sagte sie. »Wenn in der Arbeitswelt etwas Großes passierte wie Malaria, dann schrumpfte die Nicht-Arbeitswelt und machte Platz dafür, und wenn in der Nicht-Arbeitswelt etwas Großes passierte wie …«
»Liebe?«
»Genau, wie Liebe. Dann schrumpfte dafür die Arbeitswelt. Es war wie ein Atem, der von Lunge zu Lunge ging.« Sie hob die Hände hoch, streckte die eine und schloss die andere zur Faust, dann öffnete sie die Faust und schloss die andere.
»Das sieht aus, als wolltest du jemand zeigen, wie man eine Ziege melkt«, sagte Karin, und Bec schoss etwas Wein in die Nase. Noch während sie lachte, ärgerte sie sich, dass Karin sie nicht ernst nahm.
»Aber du verstehst, was ich damit sagen will.«
»Natürlich.«
»Und jetzt gibt es eine dritte Welt. Eine Welt, die nicht Arbeit ist, obwohl sie eine Menge Arbeit machen würde, und sie ist auch nicht richtig Liebe, obwohl sie sich ausschließlich um Liebe drehen würde, nehme ich an. Wie auch immer, es klappt jedenfalls nicht.«
»Es ist noch zu früh, um sich Sorgen zu machen. Es geht ja noch kein Jahr.«
»Du darfst Alex das nicht sagen, aber ich habe seine Ex gesehen, Maria. Sie ist schwanger. Auf die altbewährte Art.«
Karin sagte leise etwas, aber Bec nahm es nicht so deutlich wahr wie die Neigung von Karins Gesicht und die bekümmerte, leicht mitleidige Vertiefung der winzigen Fältchen an ihren Augen- und Mundwinkeln.
»Warum willst du es ihm nicht sagen?«, sagte Karin. »Wenn ihr beide Kinder haben wollt, muss er erfahren, dass er wahrscheinlich derjenige mit dem Problem ist.«
Bec lächelte und fühlte sich Karin nicht mehr so nahe wie noch vor einer Minute. »Das ist kein wissenschaftlich stichhaltiger Beweis. Ich weiß nicht, was er tun würde, wenn ich es ihm sage. Kann sein, dass er mich verlässt.«
Karin rollte den Kopf nach hinten und verdrehte die Augen. »Was für ein Mann ist er dann? Was ist seine Liebe wert? Du stellst ihn dar als
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