Liebe und Marillenknödel
schnell.
» Doch, doch. Gerne!«
» Wirklich nicht!« Ich bleibe stehen und strahle sie sehr entschlossen an.
» Dazu bin ich doch da«, sagt sie und stakst voran. » Kommen Sie!«
Okay, wenn ich mich weiter so sträube, schöpft sie noch Verdacht, besser also ich folge ihr. Wie unangenehm. Bestimmt laufen wir direkt Jirgl in die Arme. Wir gehen eine Wand aus poliertem Beton mit Lochmuster entlang, die aus unsichtbaren Scheinwerfern spacig beleuchtet ist. In Hamburg käme einem der Laden wahrscheinlich ganz stylish vor – aber hier in den Bergen? Ich weiß nicht.
» So«, sagt die Frau, » bitte sehr! Da hinten, wäre das nicht ein schöner Platz für Sie?«
Sie zeigt in Richtung der Panoramafenster, die hinaus auf den Pool und die Berge gehen. Vor dem Fenster erkenne ich prompt Jirgls blondierten Schopf. Da sitzt er, zusammen mit einem Mann in Anzug und Schlips.
» Erwarten Sie noch jemanden?«
Die Frau soll endlich die Klappe halten. Zum Glück sitzt Jirgl mit dem Rücken zu mir.
» Danke«, sage ich mit unterdrückter Stimme und werfe mich in den nächstbesten Sessel in Deckung. » Dieser Tisch hier ist perfekt für mich.«
» Aber dann haben Sie doch gar nichts von der schönen Aussicht«, sagt sie erstaunt und mit viel zu lauter Stimme. Ich versuche, noch tiefer in den Sessel zu sinken. Wenn sie so weitermacht, kann ich mich gleich auf Jirgls Schoß setzen.
» Danke«, sage ich sehr bestimmt.
» Sicher?«
» Ja!« Ich muss mich mühsam beherrschen, sie nicht anzubrüllen.
» Na gut, wie Sie meinen. Bedienung kommt gleich.«
Endlich, sie geht.
Ich warte, bis sie aus der Tür ist und pirsche mich dann unauffällig noch ein paar Tische näher an die beiden heran – bis ich schließlich in einem Sessel lande, dessen Lehne so hoch ist, dass ich darin quasi verschwinde. Der perfekte Spionagesitz! Jirgl und der Anzugträger sind jetzt nur noch durch eine halb hohe Wand aus grob beschlagenem Holz von mir getrennt, deshalb kann ich gut verstehen, was die beiden miteinander reden. Beziehungsweise: Der Schlips-Typ redet, in feinstem Hochdeutsch. Jirgl gibt kaum einen Pieps von sich.
» … muss mich auf Sie verlassen können, Herr Jirgl. Kann ich das?«
» Natürlich«, antwortet der mit monotoner Stimme.
» Herr Jirgl«, sagt der Schlips-Typ, » ich zähle auf Sie, vergessen Sie das nicht. Wir müssen der Hansebau Outcome präsentieren.«
» Ich kümmere mich drum, Herr Müller-Bach«, sagt Jirgl beherrscht.
» Das hoffe ich wirklich«, sagt der Schlips-Typ. » Herr Jirgl, zielorientiert denken und nicht immer so kompliziert! Sonst müssen wir Konsequenzen ziehen!«
» Unbedingt.«
» Gut«, sagt der Schlips-Typ und erhebt sich. » Ich höre von Ihnen. Sie finden den Ausgang.«
Mist, das Gespräch scheint vorbei zu sein, und ich habe es verpasst. Der Schlips-Typ, der offensichtlich Müller-Bach heißt, verschwindet in einen Nebenraum, Jirgl steht ebenfalls auf. Blitzschnell beuge ich mich vornüber, als hätte ich eine Kontaktlinse verloren oder eine Münze, aber Jirgl bemerkt mich zum Glück nicht. Er marschiert hastig durch die Tür, dem Ausgang entgegen.
Ich setze mich wieder aufrecht hin.
Vor mir steht plötzlich die Bedienung. Noch mal Mist. Ich habe überhaupt kein Geld bei mir.
» Was darf ich Ihnen bringen?«, fragt sie und verschränkt vornehm die Hände vor dem Schoß.
» Äh«, sage ich, » tut mir leid. Mir fällt gerade auf, dass ich gleich schon wieder einen Termin habe.«
» Na dann«, sagt sie. » Ein andermal.«
Ich zucke mit den Schultern und lächle höflich. Gott sei Dank, sie geht.
Okay, Sophie. Und jetzt konzentriere dich. Was war das denn? Worauf soll sich dieser Müller-Bach verlassen können? Und um was soll Jirgl sich kümmern?
Outcome?
Hansebau?
Wieso sagt mir das was?
Denk nach, Sophie!
Ich starre vor mich hin, komme aber nicht weiter. Vielleicht sollte ich mal an die frische Luft, das hilft bestimmt.
Ich stehe auf und gehe den Gang durch die Lobby zurück. Alles um mich herum dreht sich. Der Beton, das Glas, die ganzen Lichter.
Die Uniformierte von eben lächelt mir zu, ich versuche, wenigstens irgendeine Regung in mein Gesicht zu legen, aber es will mir nicht so recht gelingen. Es kommt mir fast vor, als würde ich torkeln, und als sich die Schiebetür vor mir öffnet, ist es, als spucke sie mich auf einem fremden Planeten aus.
Ich gehe über den Parkplatz, den Weg nach Alrein zurück. In meinem Kopf arbeitet es wie auf einer Großbaustelle, leider
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