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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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sie sich auch einen Filzhut über und wird eine zweite Lady Patricia Dougdale, es kommt auf den Liebhaber an. Ja, und dieser Boy Dougdale, was ist mit ihm?«
    »Blöd«, sagte ich und meinte eigentlich »blöhöde«.
    »Aber Sie sind unmöglich, meine Liebe. Boshafte Frauen, blöde Männer – sie müssen wirklich versuchen, mehr Sympathie für die Menschen aufzubringen, sonst kommen Sie in dieser Welt nicht weiter.«
    »Was meinen Sie mit ›weiterkommen‹?«
    »Na ja, dass man eben zu all diesen Dingen kommt, zu Ehemännern und fiancés , und dass man mit ihnen weiterkommt. Sie sind das, worauf es im Leben einer Frau wirklich ankommt, wissen Sie.«
    »Und Kinder?«
    Er lachte laut.
    »Ja, natürlich, Kinder. Zuerst die Ehemänner, dann die Kinder, dann die fiancés , dann noch mehr Kinder – und zum Schluss müssen sie in der Nähe des Parc Monceau wohnen, wegen der Kindermädchen –, Kinderhaben ist ein logistisches Problem erster Ordnung, das kann ich Ihnen versichern, vor allem, wenn man es, wie ich, vorzieht, auf der Rive Gauche zu wohnen.«
    Ich verstand kein Wort.
    »Werden Sie auch eine Hopse«, fragte er, »so wie Ihre Mutter?«
    »Nein, nein«, sagte ich, »die Anhänglichkeit in Person.«
    »Wirklich? Da bin ich nicht ganz sicher.«
    Bald, für meinen Geschmack zu bald, standen wir wieder vor dem Haus.
    »Porridge«, sagte der Herzog und sah noch einmal auf seine Uhr.
    Die Haustür tat sich auf, und wir betraten einen Schauplatz, auf dem die allergrößte Verwirrung herrschte. Die meisten Gäste, manche in Tweedsachen, andere in Morgenmänteln, hatten sich in der Vorhalle versammelt, ebenso mehrere Angehörige des Hauspersonals und einige Gutsarbeiter, während der Dorfpolizist, der vor lauter Aufregung sein Fahrrad ins Haus geschoben hatte, mit Lord Montdore verhandelte.
    Hoch oben, über das Geländer vor der Niobe gelehnt, stand Lady Montdore in einen malvenfarbigen Umhang gehüllt und rief ihrem Gatten zu: »Sag ihm, dass Scotland Yard unbedingt sofort herüberkommen muss, Montdore. Wenn er sie nicht kommen lässt, rufe ich selbst den Innenminister an. Zum Glück habe ich die Nummer seines Privatanschlusses. Ach was, am besten, ich rufe ihn sofort an.«
    »Nein, nein, meine Liebe, bitte nicht. Ich versichere dir, es ist schon ein Inspektor unterwegs.«
    »Das will ich hoffen, aber woher wissen wir, dass es der beste Inspektor von allen ist? Ich glaube, ich wende mich doch lieber an meinen Freund, ich glaube, er wäre direkt gekränkt, wenn ich’s nicht täte, der Gute. Immer so darauf bedacht, zu helfen, wo er kann.«
    Ich war ziemlich überrascht, Lady Montdore so liebevoll über ein Mitglied der Labour-Regierung sprechen zu hören, denn das war nach meiner Erfahrung durchaus nicht die Art der übrigen Erwachsenen, aber als ich sie besser kennenlernte, begriff ich, dass in ihren Augen die Macht als solche etwas Positives war und dass diejenigen, die damit ausgestattet waren, ihr ganz von selbst sympathisch wurden.
    Mit jenem Ausdruck von Konzentration, der sich auf dem Gesicht eines Franzosen immer dann einstellt, wenn eine Mahlzeit in Sicht kommt, begab sich mein Begleiter, der von alledem offenbar nichts hören wollte, auf dem kürzesten Weg ins Esszimmer. Auch ich war nach dem Spaziergang sehr hungrig, aber die Neugier siegte, und ich blieb, um herauszufinden, was dies alles zu bedeuten hatte. Anscheinend war in der Nacht ein Einbruch geschehen. Fast jeder im Haus, ausgenommen Lord und Lady Montdore, war bestohlen worden und hatte erhebliche Verluste an Schmuck und Bargeld, an Pelzen und anderen zufällig herumliegenden Wertgegenständen zu verzeichnen. Was die Opfer an der ganzen Angelegenheit aber besonders erregte, war die Tatsache, dass sie alle aufgewacht waren und jemanden durch die Zimmer hatten schleichen hören, aber alle hatten sofort geschlossen, es müsse sich um Sauveterre handeln, der wieder einmal seinem Steckenpferd nachging, und so hatten sich die Ehemänner mit einem Grunzen auf die andere Seite gedreht und bloß gemurmelt: »Tut mir leid, alter Knabe, ich bin’s nur, ich würde es mal nebenan versuchen«, während die Frauen, von süßem Verlangen gebannt, ganz still dagelegen und geflüstert hatten, was ihre französischen Sprachkenntnisse an Wörtern der Ermutigung nur immer hergaben. Das erzählten sie jedenfalls übereinander, und als ich auf dem Weg nach oben, wo ich meine nassen Schuhe wechseln wollte, an der Telefonkabine vorbeikam, hörte ich, wie Mrs Chaddesley
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