Liebenswerte Langhälse - über den artgerechten Umgang mit Gänsen
geht, muss sie vorsichtig heruntergehoben werden, nachdem man sich vergewissert hat, dass sie keine Eier unter den Flügeln hat. Futter und Wasser werden ihr sofort angeboten. Sie wird hastig ein paar Bissen hinunterschlingen, trinken, Kot absetzen und bald wieder auf ihrem Nest sitzen. An kalten Tagen und wenn die Eier frisch sind, gehen Gänse höchstens 5 Minuten vom Nest. Nach einer Brutwoche soll die Gans zweimal täglich das Nest für einige Zeit (in der Regel sind es 10 bis 15 Minuten) verlassen. Die befruchteten Eier entwickeln nun allmählich Eigenwärme und bedürfen jetzt etwas Kühlung. Die Gans steht auch ab und zu auf, um ihre Eier zu wenden. Der Teil des Eis, der mit ihrem Körper in Berührung kommt, hat dieselbe Temperatur wie ihre Haut; der Teil, der auf dem Nestboden liegt, ist wesentlich kälter. Zu kalte Eier rollt die Gans in die Mitte, die wärmeren nach außen. Durch das Wenden und Verlegen der Eier sichert sie ihrem Gelege eine gleichmäßige Wärmeverteilung und verhindert zudem ein Anheften der Embryonen an der Eischale. Dies alles tut eine Gans instinktiv. In der Mitte der Brutzeit, wenn die Eigenwärme der Eier stetig zunimmt, steigert sie ihre Brutpausen oft auf 30 Minuten, gegen Ende sind es auch schon einmal 45 Minuten. Man sollte hier die Nerven behalten und sich nicht gleich einmischen. Die Gans weiß am besten, wie sie zu brüten hat und wann sie lange genug weg war. Manche Gänse kühlen länger als andere, dadurch verzögert sich der Schlupf. Die Zeit der Abwesenheit nutze ich täglich, um im Nest nach dem Rechten zu sehen und die Eier zu beriechen. Ein gesundes Ei riecht nicht. Eier mit leicht fischigem Geruch sind abgestorben und müssen unverzüglich entfernt werden. Manche Gänse werfen sie selbstständig aus dem Nest. Leider fehlt vielen unserer domestizierten Gänse dieser ursprüngliche Instinkt, und sie bebrüten die Fauleier genauso hingebungsvoll weiter wie die gesunden.
Gänsemutter in der Mauser. (Foto: Marion Bohn-Förder)
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Am zehnten Bebrütungstag schiere ich die Eier im Nest, um mir ein Bild über deren Inhalt zu verschaffen. Unbefruchtete und abgestorbene Eier werden aussortiert. Währenddessen muss die Stalltür geschlossen bleiben, sonst kommt das Gänsepaar eventuell dazwischen und regt sich fürchterlich auf. Wenn eine Gans ihr Nest verlässt, deckt sie die Eier sorgfältig mit Streu und Daunen zu, damit sie nicht zu schnell auskühlen und zudem getarnt sind. Muss schmutziges Nestmaterial erneuert werden, sollte man das unauffällig tun, damit die Gans ihr Nest optisch so vorfindet, wie sie es verlassen hat.
Brutgänse benötigen unbedingt eine saubere Badegelegenheit, um sich etwas zu erfrischen und ihr Gefieder zu reinigen. Das nasse Gefieder führt den Bruteiern die nötige Feuchte zu und verstärkt den Kühleffekt, was besonders an warmen Tagen von Vorteil ist.
Nach etwa 30 bis 32 Tagen schlüpfen die Gössel. Je nach Brutgewohnheiten der Gans kann sich das aber auch um einige Tage verzögern. Hier gilt es, Ruhe zu bewahren! Sind die Eier angepickt, dauert es vom ersten Loch in der Schale bis zum Schlupf einen Tag. Wenn es danach nicht weitergeht, sollte man je nach Sachlage die Eier zunächst mit lauwarmem Wasser besprühen, um den Schlupf zu erleichtern. Nur in Notfällen, wenn zum Beispiel die Eihäute zu zäh sind und der Gössel sich nicht selbst befreien kann, wird geholfen. Das darf aber nicht zu früh geschehen, weil das Küken sonst verbluten kann. Gute Brutgänse helfen in Not geratenen schlüpfenden Gösseln, indem sie das angepickte Loch in der Schale etappenweise behutsam erweitern. Beim Schlupf möchte die Gans möglichst wenig gestört werden. Auch der Ganter ist durch ein brusthohes Gatter von ihr getrennt, damit sie sich ganz auf ihren Nachwuchs konzentrieren kann.
Ich nehme die ersten geschlüpften Gänschen immer aus dem Nest. Sie warten im Kükenwärmeheim, bis ihr letztes Geschwisterchen geschlüpft ist. Gössel aus älteren Bruteiern schlüpfen oft etliche Stunden später. Deshalb sollte man die restlichen Eier nicht vor dem 33. Tag vom Nest entfernen. Es empfiehlt sich, vorher daran zu horchen und sie im Zweifelsfall noch einmal zu schieren. Nach Beendigung des Schlupfes werden die Gössel wieder zur Gans gesetzt. Der Ganter kann tagsüber zu seiner Familie, die Nacht verbringt er aber erst mal in einem abgetrennten Stallabteil. Denn schon mancher wachsame Ganter hat während der Dämmerung eines seiner Kinder unbeabsichtigt
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