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Lieber Dylan

Lieber Dylan

Titel: Lieber Dylan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Curham
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Zeit, die ich jetzt durchlebe, auch nur eine weitere Seite ist. Und auch wenn sie mit dem unerträglichstenSchmerz beschrieben ist, wird sie bald umgeblättert werden. Und weißt du, was ich dann getan habe, Georgie? Ich habe tief durchgeatmet, die Fäuste geballt und mich im Geiste gezwungen, die Seite umzublättern. Es war so herzzerreißend und schmerzhaft, aber ich wusste, ich musste es tun. Ich musste Bruce Lebewohl sagen, um weiterzuleben.
    Ach, meine Liebe, diesmal habe ich aber wirklich vor mich hin gesabbelt, was? Aber ich wollte gern, dass du weißt, was passiert ist, Georgie, denn ich möchte, dass du dein Leben in derselben Weise betrachtest. Jetzt gerade hast du eine schwierige Seite vor dir, aber du wirst nicht ewig darin gefangen sein. Du hast viele Seiten, die in deiner Geschichte noch gefüllt werden müssen   – sie sind alle leer und sauber und vielversprechend. Was immer also gerade geschehen ist, halte dich an diesem Gedanken fest, und wann immer du die Gelegenheit erhältst, fasse den Mut, diese Seite umzublättern. Noch einmal, Liebling, ich hoffe, es ist alles in Ordnung, und bitte maile mir so schnell, wie du kannst.
    Alles Liebe,
    Nan xx

    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: Re: Stürmisches Wetter
    Datum: Donnerstag, 10. August, 19:09

    Der Ton-Zerstörer weiß über den Theater-Workshop Bescheid. Jessica ist am Montag zu mir nach Hause gegangen und hat ihm gesagt, wo ich war. Ich weiß nicht, was sie gesagt hat   – sie hat vermutlich so getan, als wolle sie mich abholen, und dann hat sie es mit Absicht wie zufällig fallen lassen. Ich kann sie mir genau vorstellen, wie sie in ihrem dämlichen künstlichen Akzent sagt: »Oh mein Gott, ich,also, ich habe ja total vergessen, dass sie bei diesem Theater-Workshop sein wird, denn da ist sie ja doch die ganze letzte Woche gewesen, nicht wahr?«
    Als der Ton-Zerstörer am Montag in der Bücherei auftauchte, ist er durchgedreht. Er hat mich vor allen Leuten angebrüllt   – in der Bücherei, wo tödliche Stille herrscht, sodass es sich noch schlimmer anhörte. Er hat mich ein verlogenes, falsches kleines Biest genannt. Und dann hat er mich am Arm nach draußen gezerrt. Die schielende Bibliothekarin versuchte, ihn aufzuhalten, und Michaela fing an zu weinen, aber das machte keinen Unterschied mehr. Den ganzen Weg bis nach Hause hielt er meinen Oberarm mit seiner riesigen Hand umklammert. Ich habe da jetzt einen Ring aus violetten Flecken, wie eine scheußliche Tätowierung, so fest hat er mich gehalten. Und kaum hörbar hat er Dinge vor sich hin gemurmelt, wie er von mir und meiner Mutter die Schnauze voll hätte und wie viel er für uns getan hätte und das wäre alles, was er zum Dank dafür bekäme. Ich habe mich gefragt: Wenn er so in der Öffentlichkeit mit mir umgeht, was wird er dann mit mir machen, wenn wir drinnen im Haus sind? Ich habe aber nicht geweint. Na ja, ein kleines bisschen schon, aber ich war dabei leise und habe es ihm nicht gezeigt. Als wir nach Hause kamen, hat er mich jedoch nicht angerührt. Er hat etwas viel Schlimmeres getan. Er hat mir etwas erzählt   – über meinen Dad. Etwas Schreckliches. Und jetzt ist mir zumute, als wäre meine ganze Welt in Stücke zersprungen. Es tut mir wirklich leid, Nan, aber ich muss gehen. Ich habe Hausarrest, also dürfte ich eigentlich gar nicht hier sein, aber der Ton-Zerstörer ist arbeiten, und ich habe Mum gesagt, ich müsse mal kurz nach draußen, um eine Freundin zu treffen, und wenn sie es ihm erzählt, würde ich nie mehr mit ihr sprechen, solange ich lebe. Ich hasse sie, Nan. Ich hasse sie beide. Nächste Woche ist die Aufführung von Bugsy Malone, aber ich werde in meinem Zimmer eingesperrt sein und mir vorstellen, wie Jamie und Jessica und all die anderen ihre Rollen spielen, während ihre liebevollen Mütter und Väter ihnen mit Tränen in den Augen und einem breiten seligen Grinsen auf den Gesichtern zusehen. Ichhabe das Gefühl, mein Leben ist zu Ende, ehe es überhaupt die Chance hatte anzufangen.
    Vielen, vielen Dank für deine Mails   – die über den Sturm hat mir so sehr gefallen. Ich habe die Bibliothekarin gebeten, sie für mich auszudrucken, damit ich sie heute Abend im Bett noch einmal richtig lesen kann. Ich mochte wirklich gern, wie du geschrieben hast, dass unsere Leben wie Bücher sind. Aber was machst du, wenn du plötzlich herausfindest, dass ganze Kapitel in deinem Buch Lügen sein könnten? Nach dem, was der

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