Lieber Frühling komm doch bald
Geldsorgen...
«Ja - Sie haben eine Frau .» Seine Finger formten eine Knospe, die er an die Lippen drückte und dann mit großer Geste May zuwarf.
Jocelyn war beeindruckt. «Sie kennen Ihren Shakespeare», sagte er voller Bewunderung.
May ließ sich nicht von ihren Gastgeberinnenpflichten ablenken. «Sie kennen sicher noch nicht alle, Miss Thompson», sagte sie und machte Wendy mit den Anwesenden bekannt. «Miss Thompson bleibt über Nacht hier», erklärte sie.
Der Franzose gebärdete sich so entzückt, als sei damit der Höhepunkt seines Glücks erreicht. Bea sagte streng: «Hoffentlich fahren Sie in Zukunft etwas vorsichtiger, meine Gute.»
May verkündete: «In einer halben Stunde können wir essen.» Gerade noch Zeit genug, dachte sie, um sich umzuziehen, den Tisch zu decken, sich die Nase zu pudern und die Hühner aus dem Backofen zu holen, ehe sie gänzlich zerfallen waren.
«Ist Ihnen das auch recht, mein Lieber?» fragte Opa seinen Freund Edouard fürsorglich.
«Aber ja, ausgezeichnet. Da kann ich mich ja noch in Ruhe umziehen.»
«Oh, das ist aber nicht nötig», beteuerte Opa und klopfte Edouard auf die Schulter. «So fürstlich geht’s bei uns nicht zu. Sie müssen mit unserer bescheidenen Kost vorliebnehmen, nicht wahr, May?» Er zwinkerte seiner Schwiegertochter zu.
«Ja», sagte sie und wandte sich dem Franzosen zu. «Ich habe nur ein einfaches Mahl vorbereitet: Coq au Vin mit Pommes Anna und Auberginen und danach Profiterolles. Wünschen Sie dazu -»
«Und das spülen wir mit einem schönen englischen Bier runter, was?» fragte Opa.
«Wunderbar», sagte Edouard, der englisches Bier schal und ungenießbar fand.
«Gut», sagte May. «Ich habe allerdings für alle Fälle zwei Flaschen Meursault Clos des Bouches Chères kaltgestellt - den 1971er. Aber -»Jocelyn stellte erstaunt fest, daß sie plötzlich ganz klein und hilflos aussah - «ich verstehe nicht viel von Weinen. Vielleicht trinken Sie doch lieber Bier -?»
Edouard wandte sich an John Pentecost. «Sie werden mir verzeihen, lieber Freund. Für keinen anderen Wein würde ich auf Ihr Bier verzichten. Aber ein Meursault...» Hier folgte ein Handkuß, den er May zuwarf. «Das ist der Wein, den die Götter auf dem Olymp trinken, meine reizende Nichte in spe.»
Jocelyn war schon fast eingeschlafen, als er plötzlich den Kopf hob und fragte: «Wo ist Miss Thompson?»
«Mit in Beas Zimmer», antwortete May etwas kurz. «Warum - brauchst du sie?»
»O Gott, nein. Ich wollte es bloß wissen.»
May seufzte und wollte wieder einschlafen, aber Jocelyn fuhr fort: «Furchtbar nette kleine Person. Und wie die sich gegen Mackintosh behauptet hat!»
May sagte nichts.
«Seine kleine Tochter möchte zum Ballettunterricht, und er will nichts davon wissen. Aber ich glaube, Miss Thompson wird ihn noch so weit bringen, daß er nachgibt.»
«Tapfer, tapfer», murmelte May und gähnte.
«Was? Oh, entschuldige, Liebes, du bist müde, nicht wahr?»
Gaylord war aufgewacht, als Opa sich geräuschvoll schlafen gelegt hatte, und dachte an die nette Miss Thompson. Er malte sich lauter grauenhafte Situationen aus, aus denen er sie erretten konnte. Zum Beispiel stellte er sich vor, wie sie gefesselt auf den Schienen lag und den Drei-Uhr-Zug immer näherkommen hörte: bestimmt ein grausiges Erlebnis, bei dem man das Fürchten lernen konnte. Aber auch ein paar Fälle, in denen er selber Trost brauchte und ihn bei Miss Thompson fand, malte er sich im Halbschlaf aus. Und in dem Gedanken, daß zumindest ein Zukunftsproblem gelöst war, schlief er zufrieden wieder ein.
Wendy Thompson hatte keine Ahnung, daß sie zur zukünftigen Mrs. Gaylord Pentecost erwählt worden war. Sie teilte ein Zimmer mit Tante Bea. Und als Wendy gerade fast eingeschlafen war, knipste die alte Dame das Nachttischlämpchen an, setzte sich im Bett auf und fragte: «Wer sind Sie doch noch? Wie war doch Ihr Name? Ich weiß immer gern, mit wem ich im Zimmer schlafe.»
«Ich bin Wendy Thompson. Ich bin Lehrerin. Ich sollte mit Mr. Pentecost wegen einer Lesung im Klub der Literaturfreunde von Ingerby sprechen.» Sie setzte sich ebenfalls auf, das gebot die Höflichkeit.
Tante Bea stopfte sich ein Kissen in den Rücken, machte es sich bequem und sagte: «Vor vier kann ich nie einschlafen. Und Sie?»
«Oh, ich — ich schlafe eigentlich immer ganz gut.»
«Tatsächlich? Beneidenswert! Ich hoffe nur, Sie schnarchen nicht.» Pause. Dann in
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