Lieber Frühling komm doch bald
neuer Spielgefährte kam, sprang May entgegen. Er konnte nicht abwarten, er mußte unbedingt sofort «Fenster putzen».
«Jocelyn!» rief May. «Schnell - halt den Hund fest!»
«Ja, Liebes, was ist denn?» Jocelyn konnte nie gut zwei Sachen auf einmal bedenken, und jetzt waren seine Gedanken noch bei dem gütigen Geschick, das ihm eine so wunderbare Frau beschert hatte.
«Der Hund!» rief May verzweifelt, denn der Krug auf dem Tablett fing schon an zu rutschen.
«Hierher, Schultz!» rief Jocelyn. Jetzt hatte er verstanden, worum es ging. «Platz! Sofort! Platz, Schultz!»
Aber Schultz gehorchte nicht. Er sprang weiter ausgelassen an May hoch.
«Schaff doch endlich den verdammten Hund weg, Jocelyn!» schrie John Pentecost. «Der Punsch!» Nicht auszudenken, wenn der Punsch -
Jetzt wurde aus Jocelyn ein Mann der Tat. Entschlossen nahm er May das schwere Tablett ab und trug es vorsichtig zu einem schmiedeeisernen Tisch. Dann drehte er sich stolz zu May um, bereit, ihr Lob entgegenzunehmen. Aber sie lag ausgestreckt im Schnee, und Schultz stand über ihr und leckte ihr begeistert das Gesicht.
Jocelyn lief zu ihr hin, kam aber zu spät: Mr. Mackintosh und der Franzose bemühten sich bereits um sie - jeder auf die eigene Weise. Mr. Mackintosh riß den Hund zurück, und Edouard half ihr auf die Füße, klopfte den Schnee von ihrem Mantel, tätschelte ihr die Hand, hielt sie am Arm fest und gab lauter kleine französische Ausrufe der Besorgnis und der Teilnahme von sich.
«May, hast du dir weh getan? Wie ist denn das passiert?» rief Jocelyn.
Mr. Mackintosh sagte: «Der Hund ist ihr zwischen die Füße gekommen, gerade als sie das Gleichgewicht verlor - weil Sie ihr das schwere Tablett abgenommen hatten.»
«Formidable!» Der Seufzer kam von Edouard.
Jocelyn Pentecost kochte vor Zorn. Dieser Mr. Mackintosh hatte etwas an sich, das einen bis aufs Blut reizen konnte. «Wollen Sie damit sagen, daß es meine Schuld war?» fragte er wütend.
Der Schotte zuckte mit den Schultern. «Hilfreich war Ihr Eingreifen nicht gerade.»
Jocelyn versuchte, zu seiner Frau zu gelangen, aber Edouard hatte beide Arme schützend um sie gelegt. «Sie müssen sich hinlegen», drängte er. «Am besten in einem dunklen Zimmer. Vielleicht noch ein Riechfläschchen oder sal volatile —»
«Aber ich denke nicht daran», sagte May lachend. Sie merkte selbst, daß ihr Lachen nicht ganz echt klang. Bei ihrem Sturz war sie mit dem Kopf auf irgend etwas Hartes aufgeschlagen, und zwar ziemlich heftig. Noch immer tanzten ihr Funken vor den Augen.
Jocelyn drängte sich heran. «Bist du verletzt, Liebes?»
May schien ihn erst jetzt wahrzunehmen. Gewöhnlich haßte sie es, wenn man viel Aufhebens um sie machte. Aber von einem weltgewandten Franzosen verwöhnt zu werden, war eigentlich recht hübsch. «Aber nein, woher denn, Liebling», sagte sie und fügte -reichlich kühl, wie Jocelyn fand - hinzu: «Vielen Dank, daß du den Punsch gerettet hast.»
Da hatte er es mal wieder! Und er war so stolz auf sich gewesen. Er hatte wirklich nicht lange gebraucht, um die Situation zu überblicken, und dann hatte er sofort gehandelt. Eine Medaille hatte er erwartet - und jetzt taten alle so, als hätte er seine Frau umbringen wollen.
May beschloß, sich um den Funkentanz nicht weiter zu kümmern. «Also, dann kommt mal alle her», rief sie. «Sonst wird am Ende der Punsch noch kalt.» Lachend und plaudernd kamen alle an den eisernen Gartentisch, stampften mit den Füßen auf und blickten frohgemut in die Sonne und in die bläulich-weiße Schneewüste ringsum. Es war einer der seltenen Augenblicke, da die Welt stillzustehen schien, einer der Augenblicke, da der Geist der Harmonie die Welt ganz leise mit den Flügeln berührte - und weiterzog.
Als May den Punsch ausgeschenkt hatte, wandte sie sich an ihren Sohn: «Gaylord, was möchten deine Freunde wohl trinken?»
«Was möchtest du, Julia?» fragte Gaylord eifrig. «Limonade?»
«Oja, bitte.»
«Ach was, Limonade ist zu kalt für den Magen!» rief Miss Mackintosh. «Ein kleines Glas heiße Milch, das wäre jetzt das richtige für dich, Kind.»
Gaylord sah Julia an. Noch nie, so kam es ihm vor, hatte er so traurig blickende Augen gesehen. Mutig und mit großer Bestimmtheit sagte er: «Ich hole dir ein Glas Limonade, Julia.»
«Sie trinkt entweder Milch oder gar nichts», sagte Miss Mackintosh ebenso bestimmt.
Die beiden Mackintoshs hatten etwas an sich, was an ein Reibeisen erinnerte und andere
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