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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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aufzuzwingen. Aber da erschien Gaylord ja schon.
    «Du, Mummi, ich hab einen furchtbaren Hunger. Können wir nicht -»
    «Deine Freundin, Miss Mackintosh, reist ab», sagte May.
    «Reist ab? Meinst du, sie reist richtig ab?»
    «Ja, sie reist richtig ab.»
    «Hurraaa!» schrie Gaylord.
    Sie unterbrach seinen Jubel. «Aber Julia hat nun niemand mehr, der sie versorgt.»
    Gaylord dachte nach. «Doch, sie hat ihren Vater.»
    «Ja, weißt du, darin sind Väter nicht so sehr geübt.»
    Das sah er ein. Er liebte seinen Vater zärtlich, aber er kannte seine Grenzen. Er grübelte einen Moment. Dann fragte er: «Könntest du sie nicht versorgen, Mummi?»
    «Deine Mutter hat, weiß Gott, schon genug zu tun, junger Mann», sagte John Pentecost in nicht sehr überzeugendem Ton.
    «Sie müßten dann beide hier im Haus wohnen», sagte May. «Möchtest du denn immer ein Mädchen hier im Hause haben, Gaylord?»
    Nein. Aber wenn doch die arme Julia niemand hatte? Er war ein bißchen entsetzt, daß Mummi da immer noch überlegte. «Würde mir nix ausmachen», sagte er mit fester Stimme.
    John Pentecost war überaus erstaunt. «Du meinst - du würdest sie hier aufnehmen, May? Das wäre natürlich eine sehr gute Lösung. Aber hast du dir das auch gut überlegt, Kind?»
    Sie hatte gerade das volle Tablett aufgenommen. Jetzt setzte sie es wieder ab und blickte ihren Schwiegervater kühl an. «Dir war die Idee sicher noch gar nicht gekommen, nicht wahr?»
    «Himmel, nein, natürlich nicht! Aber wo du es nun sagst... Es wäre schon eine enorme Hilfe, May.»
    Na schön, die Kopfschmerzen würden ja nicht ewig dauern. Sie hatte zwar vorgehabt, ja, sich regelrecht danach gesehnt, sich sofort hinzulegen, sobald die letzten Gäste das Haus verlassen hatten, aber... Sie würde es schon schaffen. Und wenn sie morgen früh ausgeschlafen hatte, war die Welt sicher wieder in Ordnung.
     
    Aber sie hatte die Rechnung ohne zwei Männer gemacht - und bei Männern wußte man ja nie... Der erste war Jocelyn, der ihr sonst stets das gesamte Hauswesen überließ, jetzt aber rundheraus erklärte, er denke nicht daran, mit diesem gräßlichen Schotten unter einem Dach zu leben, der ihm sicher bald Ratschläge erteilen werde, wie er seine Romane zu schreiben habe. Und der zweite war Mr. Mackintosh selber, der mit seinem Sonntagsanzug eine neue Persönlichkeit angelegt zu haben schien.
    «Mrs. Pentecost, das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen, und ich kenne niemanden, dem ich Julia lieber überlassen würde als Ihnen. Aber Sie müssen verstehen, ich bin zu selbständig, ich würde mich nicht wohl dabei fühlen. Wenn ich also in unserem Häuschen bleiben könnte und Julia käme zu Ihnen - ich würde sie Ihnen natürlich soviel wie möglich abnehmen.» Und er lächelte sogar dabei! Es war das Lächeln eines Mannes, der entdeckt hatte, was Dankbarkeit ist.
    Auch Julia war im Sonntagsstaat gekommen, in einem blauen, bis zum Hals zugeknöpften Mäntelchen mit einem flauschigen Pelzkragen - eine richtige kleine Dame.
    «Hallo, Julia», sagte May. «Soll ich dir mal zeigen, wo du schläfst, wenn du bei uns wohnst?»
    «Oja, bitte, Mrs. Pentecost.»
    Nachdem die Gäste abgefahren waren, hatte May das Bett in Edouards Zimmer abgezogen und frisch gemacht. Jetzt zeigte sie es Julia. «Na, glaubst du, daß du dich hier wohl fühlen wirst? Gaylords Zimmer ist gleich nebenan, und Mr. Pentecost und ich schlafen drüben auf der anderen Seite des Flurs. Sieh mal hier - durch das Fenster kannst du sogar euer Häuschen sehen.»
    Julia verschränkte die Hände. «Es ist schön hier, Mrs. Pentecost.»
    «Und durch das Fenster kannst du sogar euer Häuschen sehen», sagte May noch einmal.
    Julia sah sie unsicher an. Ein seltsam starres Lächeln lag auf Mays Gesicht. «Durch das Fenster -» begann sie noch einmal, und dann schwankte sie und fiel zu Boden.
    Julia schrie auf. Gaylord, der in seinem Zimmer war, kam herbeigestürzt.
    Der Anblick seiner reglos auf dem Fußboden liegenden Mutter erschreckte ihn. Das war das Ende der Welt! Er nahm Julia an der Hand und lief mit ihr zu seinem Vater, der in seinem Arbeitszimmer war. Etwas zögernd und schluckend trat er ein. «Paps —»
    «Hallo, mein Junge. Hallo, Julia», sagte Jocelyn freundlich. «Was ist? Es ist doch nichts passiert?»
    Gaylord nickte. Aber es gab Dinge, die konnte man nicht sagen. Die Worte wollten nicht kommen. «Mummi», brachte er schließlich hervor. «Ich glaube -»
    Jocelyn erschrak. Er stand langsam auf.

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