Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise

Titel: Lieber Matz, Dein Papa hat ne Meise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Schloesser
Vom Netzwerk:
magisch an. Ich sei ein Scheinwerfer, sagt Bernhard Bim Bam und hat damit völlig recht. Ich ersticke in Karten. Zwei EC -Karten, Mastercard, Visacard, Krankencard, ADAC -Card, Kaufhof-Card, Shell-Card, Videotheken-Card für Hamburg und Berlin, Fielmann-Card und Hunderte meiner feinen Visitenkarten aus Leinen. Jeder beknackte Kiosk will mir eine neue Karte aufzwängen. Dabei bräuchte ich nur eine einzige. Die schwarze American-Express-Karte. The Centurion Card. Die ersetzt alle anderen. Passt in die Badehose und fertig. Aber die wird leider nur verliehen, wie eine Medaille oder ein Pokal. Dafür muss man wesentlich mehr kaufen, das ist eine ganz andere Liga. So weit bin ich noch lange nicht. Das begreife ich sogar mit der Meise im Kopf.
    Ich vereinbare einen Termin in der Bank, und da Deine Omi eine so gute Kundin ist, empfängt man mich angemessen – im Kundencenter für die wichtigen Leute. Es befindet sich im ersten Stock und hat viele kleine gemütliche Büros. Es werden Kaffee und gutes Gebäck gereicht. Nicht so wie unten in der lauten Halle, wo höchstens die Kinder mal einen viel zu süßen Bonbon geschenkt kriegen. Ich erzähle Frau Steiger von Dir und Mami und vor allem von meiner steilen Karriere als Theaterregisseur. Sie staunt und freut sich, auch weil sie glaubt, mit mir ein gutes Geschäft machen zu können. Wir handeln ein Abrufdarlehen aus. Das heißt, ich kann bis zu einem gewissen Betrag Geld auf mein Girokonto laden und muss dafür deutlich weniger Zinsen bezahlen. Bisher war das Konto permanent überzogen, und der Geldstrom konnte jederzeit versiegen, weil die Grenze erreicht war. Das geht nicht. Das sieht Frau Steiger glücklicherweise auch so. Jetzt kann ich mir also bis zu einer gewissen Höhe selbst einen Kredit geben.
    Toll. So. Das wäre es dann. Es kann weitergehen.
    Profis können alles. Profis kriegen alles. Ich bin ein Profi.
    Denke ich.
    So ist es.

kannst Du Dich noch an unsere Fahrt nach St. Peter-Ording erinnern? Das Wetter war wunderbar, nahezu perfekt. Sonnig, mit einer kleinen frischen Brise. »Ankommen und froh sein« steht auf dem Schild am Ortseingang. Du vorne als Beifahrer. Wir tragen die gleiche petrolfarbene Schirmmütze. Jede Menge Gepäck haben wir an Bord. Der ganze Kofferraum ist voll. Kleidung, Bücher und DVD s.
    Omi war auch da. Um sich um Dich zu kümmern, damit ich mich erholen konnte. Sie war ganz in ihrem Element. Sie ist ein Profi im Sich-Sorgen-Machen. Ich wurde immer wütender. Ungehalten. Ich konnte mich einfach nicht mehr bremsen. Gnadenlos musste sie sich meine neuen Wahrheiten anhören. So neu waren die gar nicht. Aber die Dringlichkeit war neu, mit der ich sie vertreten musste. Vielleicht wolltest Du Dich deshalb auch nicht von ihr betreuen lassen? Damit hatte Omi ein Problem und verfiel in Dauersorge. Nicht auszuhalten. Nur in der Nacht hatte ich Ruhe und verschanzte mich mit ein paar Flaschen Wein vor meinem neuen Computer. Manchmal rief ich Wiebke an oder sie mich. Meist weinte ich dann. Kurz bevor ich ins Bett wollte, wurdest Du wieder wach.
    Um vor Omi zu fliehen, sind wir nach Büsum zu den Seehunden gefahren. Auf dem Weg dorthin habe ich Dir bei einem Bauern ein Kilo Kirschen gekauft, die Du während der Fahrt gegessen hast. Wir haben laut U2 gehört, das Schiebedach war weit geöffnet, ich habe geraucht, und Du hast Deinen Kopf immer aus dem offenen Fenster gehalten und gelacht. Das war vielleicht der schönste Moment der vergangenen Wochen. Ich hätte immer so weiterfahren können. In Bewegung zu sein schien mir der natürlichste Zustand. In der Bewegung warst auch Du am zufriedensten.
    Wir sind am selben Abend noch nach Hamburg zurückgefahren. Mit hundertachtzig über die Autobahn! Mehr ging nicht.
    Aber von Entspannung konnte gar keine Rede sein. Es wurde noch schlimmer. Ich hatte geglaubt, dass die Sorge um Dich mich beruhigen könnte. Nach einer kurzen Nacht und einem katastrophalen Tag, an dem ich Dich fast auf dem Spielplatz vergessen hätte, hatte ich ein Einsehen und brachte Dich zu Deiner anderen Omi nach Travemünde. Ich war allein für Dich verantwortlich, weil Ada immer noch mit den Zwergen unterwegs war. Seitdem bist Du dort, an Deinem Rückzugsort. Wir telefonieren nur selten, und wenn, hast Du es immer furchtbar eilig und eigentlich gar keine Zeit. Das beruhigt mich ein wenig.
    Nun hält mich gar nichts mehr zurück. Ich brauche unbedingt ein neues Handy. Das alte liegt in der Alster. Ich habe es in einem Akt großer

Weitere Kostenlose Bücher