Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lieber Onkel Ömer

Titel: Lieber Onkel Ömer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
Blut zu sehen. Was ja sehr von Vorteil ist, wenn man als Schlachter arbeiten will.
    |229| Als ich dann endlich zwei Stunden später mit Meister Kasap Kazim wieder zurückkam, roch es bereits im ganzen Haus nach gebratenem
     Lammfleisch, und Eminanim hatte noch Berge von Fleisch auf dem Küchentisch stehen.
    »Mehmet hat alles schon bestens erledigt. Kommt jetzt alle zu Tisch, wir können essen«, sagte meine Frau gut gelaunt.
    Froh, den unangenehmsten Teil des Opferfestes hinter mich gebracht zu haben, machte ich mich über das köstlich duftende und
     gut durchgebratene Lammkotelett her.
    Aber kaum hatte ich den ersten Bissen von unserem jungen Lamm im Mund, hörte ich es diesmal nicht vom Balkon, sondern aus
     Hatices Zimmer:
    »Määäääh, määäääähh, määäääääh!!«
    Und im gleichen Moment fing meine kleine Tochter mit ihrer dünnen Stimme an zu bellen:
    »Waauuw, waauuww, waaauwww!«
    Lieber Onkel Ömer, kannst Du Dir das vorstellen, meine ganze undankbare Familie hatte sich zusammengetan, um mich reinzulegen.
     Mich, ihren Ernährer und Beschützer! Sie haben einfach im Supermarkt zehn Kilo Fleisch gekauft und gebraten, und unser eigenes
     Opferlamm versteckten sie unter Hatices Bett.
     
    Um dieses Jahr so einem Desaster gleich zuvorzukommen, hatte ich mir etwas überlegt. Da ich ja selber kein Blut sehen kann,
     beschloss ich, ein gut genährtes Lamm und dazu auch noch einen gut genährten Schlachtermeister zu bestellen. Und auch wenn
     dieses Ritual mit dem Schächten schon ein paar tausend Jahre alt ist, wir gehen mit der Zeit. Mein kommunistischer Sohn Mehmet
     hat das Geschäft |230| über das moderne Internet abgewickelt. Da unser Balkon als Tatort für eine anständige Schächtung bei den Nachbarn keine wirklich
     großen Beifallsstürme hervorrufen würde, wollten Mehmet und ich uns mit dem Schlachtermeister gestern, am Morgen des Opferfestes,
     am Rande der Stadt auf einer großen Wiese treffen.
    Meine Frau Eminanim ermahnte uns ausdrücklich, pünktlich zurückzukommen.
    Mehmet und ich fuhren also heimlich wie zwei Drogenkuriere mit dem Ford-Transit zu dem geheimen Treffpunkt.
    Als wir dort ankamen, konnte ich meinen Augen kaum trauen: Der Schlachtermeister mit seinem Transporter war schon da und schärfte
     bereits seine Messer, aber Mehmet, der Ignorant, hatte einen deutschen Schlachter bestellt. Es dauerte also eine halbe Ewigkeit,
     bis ich ihm den arabischen Spruch beigebracht hatte, den er während des Schächtens laut aufsagen muss.
    »Und der Kopf des Opferlamms muss Richtung Mekka zeigen«, belehrte ich ihn und gab ihm dafür meinen mitgebrachten Kompass.
    Was aber gleich darauf aus seinem Transporter rausspazierte, hatte leider nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Lamm.
     Man hätte es sogar für ein richtiges Schwein halten können!
    »Bei Allah, das ist ja wirklich ein Schwein«, brüllte ich erschrocken.
    »Ja, und ein richtig fettes dazu«, rief der Schlachtermeister Rudolf mit stolzgeschwellter Brust.
    »Aber was soll ich denn mit einem Schwein? Moslems dürfen Schweine nicht mal angucken, geschweige denn essen«, stotterte ich
     schockiert.
    |231| »Herr Engin, ich hab mitgebracht, was Ihr Sohn bei mir onlain bestellt hat«, tat der Schweineverkäufer unschuldig.
    Lieber Onkel Ömer, das ist doch schier unglaublich! Der blöde Mehmet hatte zum Opferfest tatsächlich ein Schwein bestellt!
     Ich kochte vor Wut.
    »Mehmet, du Idiot! Wie kannst du denn zu unserem muslimischen Opferfest ein dickes, fettes Schwein bestellen?«, brüllte ich
     ihn so verzweifelt an, dass sogar das Schwein mich mitleidig anschaute – mein Sohn aber nicht!
    »Vater, du hast nicht ausdrücklich gesagt, dass du unbedingt ein Lamm haben willst. Ich hab mir gedacht, dass ein leckeres
     Schwein zur Abwechslung mal gar nicht so schlecht wäre, außerdem war es wesentlich billiger«, grinste der Idiot zu allem Überfluss
     auch noch unverschämt.
    »Ich fass es nicht! Deine Mutter und die ganzen Nachbarn warten auf frisches Lammfleisch, und ich stehe hier mitten in der
     Pampa mit einem dicken Schwein rum«, schrie ich ihn immer noch völlig entsetzt an.
    »Vater, stell dich doch nicht so an! Fleisch ist Fleisch! Denkst du etwa, dass unsere Nachbarn Lammfleisch von Schweinefleisch
     unterscheiden können? Die haben doch noch nie Schwein probiert. Mach dir keine Sorgen, so ein Schweinestäik schmeckt richtig
     gut, du wirst nie mehr was anderes essen wollen«, sagte er locker und schnalzte mit der

Weitere Kostenlose Bücher