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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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Eiswürfel auf den Brustwarzen, keine elektrofotografisch gescannte Retusche der natürlichen Hautunreinheiten, nichts — aber sie war es. Ihr rotes Haar floß über den Rand des schwarzen Satinlakens, und ihre weißen Handgelenke waren mit einem schwarzen Gürtel gefesselt. Sie wirkte glücklich, so verschnürt und gebunden, völlig zufrieden mit ihrer Situation. »Das ist aber kein typisches Foto von ihr«, sagte ich und reichte ihm das Bild zurück.
    Er schaute es noch einmal eingehend an und schüttelte den Kopf. »Sie haben recht. Yeah, Sie haben recht. Cheryl LeMat. Model, nicht wahr?«
    »Ist es das, was Tommy mit >Klasse< meinte?«
    Er sah mich unter seinen Brauen hinweg an. »Yeah, na ja. Davon sieht man heutzutage nicht mehr soviel, oder?«
    Das tat weh, aber nur ein bißchen. Ich war mit den Gedanken woanders. Ich dachte nach. Cheryl LeMat und Tommy. Dexter, LeMat und Tommy. Da war ein Zusammenhang. Keith hatte einen Zusammenhang hergestellt, aber nicht diesen. Die Neugier machte mich mutiger. Ich merkte, daß mein Kopf ein bißchen wackelte, als ich die Frage stellte. »Wieso kommen Sie mit diesem Bild hierher?«
    Er zuckte die Achseln. »Tommy ist tot. Sie würde es vielleicht gern wissen.« Er stand auf und schüttelte die Schultern, damit die Jacke gerade herunterhing. Dann schloß er einen Knopf des Zweireihers.
    Ich stand ebenfalls auf und ging zum Tisch neben dem Telefon. Irgendeine innere Stimme forderte mich unablässig auf, ihn zur Tür zu bringen, aber ich hörte nicht zu. Ich zeigte ihm statt dessen den Evening Standard.
    Es war schwer zu sagen, denn der Gesichtsausdruck des Mannes änderte sich nicht besonders, aber erfreut war er nicht. Er knöpfte sein Jackett wieder auf, setzte sich aber nicht. Sein Blick überflog die Seite, und ein oder zweimal schaute er mich an. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich den Mund mit Watte ausgestopft. Ich stand ungefähr einen Schritt weit vor ihm und sah zu, wie er langsam die Zeitung immer wieder zusammenfaltete, bis sie ein strammes, hartes Rohr war. Dann warf er sie. Sie sauste an meinem Ohr vorbei wie ein Knüppel und landete auf dem Sofa hinter mir.
    »Sie haben einem Reporter erzählt, daß Tommy diese Kassetten hatte? Yeah? Mit wem haben Sie sonst noch geredet? Bevor Sie es diesem Pinsel erzählt haben? Bevor Tommy starb?«
    Das Herz schlug mir gegen die Rippen wie ein flatternder Vogel im Käfig. Jetzt hatte ich wirklich Angst. Ich hatte keine Gelegenheit, ihm zu erklären, daß ich es niemandem erzählt hatte. Er war nicht in der Stimmung, mir zu glauben. Ich wich zurück, aber er kam mir nach, jagte mich, packte mich bei den Schultern und schüttelte mich. Mein Kopf flog vor und zurück, daß mir übel wurde, vor und zurück, immer wieder, bis mein Magen sich umdrehte und meine Gurgel sich zusammenzog. Ich muß überzeugend gewürgt haben, denn er stieß mich von sich. Schwindelig drehte ich mich um, stieß nach ihm obwohl er gar nicht da war, und taumelte in Schlangenlinien zum Badezimmer. Ich schloß die Tür hinter mir ab. Er kam mir nicht nach. Ich hörte, wie die Wohnungstür zuknallte, und fiel auf die Knie.
    Eine Stunde später klingelte das Telefon. Es war Christian Dexter.
    »Georgina, ein Wort zu diesem Artikel im Standard ...«
    »Ich weiß. Es war nicht meine Schuld. Sorry, ich kann jetzt nicht reden.«

    Die Vormittagssonne machte keinen Eindruck auf das Wohnzimmer, in dem ich die ganze Nacht geschlafen hatte. Kein Vogel war zu hören, nur hin und wieder der Klang von Schritten draußen auf dem Betonboden und das Mahlen des Straßenverkehrs. Mein Hals war trocken und sauer wie ein Brot von letzter Woche. Tee. Frischen Tee. Aus Teeblättern. Ich würde eine kochendheiße Kanne leertrinken und glücklich sterben.
    Ich hatte schlimmere Kopfschmerzen verdient, als ich hatte. Die hier fühlten sich nur an wie ein strammes Band um meinen Schädel. Am schlimmsten sind die, die mitten im Kopf anfangen und knarren wie ein alter Fischerkahn, und die sich dann nach außen arbeiten, bis man das Gefühl hat, der Schädel wird sich spalten wie trockenes Holz. Mir war auch nicht schlecht; ich hatte nur Hunger. Das war ein gutes Zeichen. Wenn ich den Tee zehn Minuten bei mir behalten könnte, dann könnte ich vielleicht auch etwas essen. Toast und Marmelade. Ich lag noch; ein Bein baumelte vom Sofa, ein Arm lag quer über den Augen.
    Da war was, irgendwas: Das Leben sickert unbestimmt bei Kopfschmerz und bei Sorgen, und stets die Zeit ihr Recht

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