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Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)

Titel: Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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wischte sie den Fußboden auf, und ich trocknete ihn mit einer Methode, die ich erfunden hatte – ich schlidderte auf Lumpen kreuz und quer umher. Dann nahmen wir die Spiralen aus klebrigem gelben Fliegenpapier ab, die nach dem Frühstück aufgehängt worden waren und schon dicht voller toter oder summender, halbtoter Fliegen saßen, und hängten neue Spiralen auf, die bis zum Abend voller neuer toter Fliegen sein würden. Währenddessen erzählte mir Sadie von ihrem Leben.
    Ich konnte damals das Alter anderer Menschen noch nicht einschätzen. Sie waren für mich entweder Kinder oder Erwachsene, und ich hielt Sadie für eine Erwachsene. Vielleicht war sie sechzehn, vielleicht achtzehn oder zwanzig. Wie alt sie auch war, sie verkündete mehr als einmal, dass sie es mit dem Heiraten nicht eilig hatte.
    Sie ging jedes Wochenende tanzen, aber sie ging allein hin. Für sich und von sich aus, sagte sie.
    Sie erzählte mir von den Tanzsälen. Einer war in der Stadt, dicht bei der Hauptstraße, wo im Winter die Curling-Bahn war. Man bezahlte zehn Cent für einen Tanz, dann ging man hoch und tanzte auf einer erhöhten Fläche, während ringsum Leute standen und gafften, was sie nicht störte. Sie bezahlte immer gern für sich selbst, um nicht dankbar sein zu müssen. Aber manchmal kam davor ein junger Mann auf sie zu. Er fragte, ob sie tanzen wollte, und sie sagte als Erstes: Kannst du? Kannst du tanzen?, fragte sie ihn unverblümt. Worauf er sie komisch ansah und ja sagte, was heißen sollte, warum war er sonst da? Und meistens stellte sich heraus, unter Tanzen verstand er von einem Bein aufs andere treten und sie mit seinen verschwitzten Pranken betatschen. Manchmal riss sie sich einfach los und ließ ihn stehen, tanzte für sich – was sie sowieso am liebsten tat. Und zwar bis zum Ende des Tanzes, der bezahlt war, und wenn der Kassierer meckerte und wollte, dass sie für zwei bezahlte, obwohl sie nur eine war, sagte sie, das reichte jetzt. Von ihr aus konnten alle sie auslachen, weil sie alleine tanzte.
    Der andere Tanzsaal lag gleich draußen vor der Stadt an der Fernstraße. Da bezahlte man an der Eingangstür, und nicht nur für einen Tanz, sondern für den ganzen Abend. Der Saal hieß bei allen Royal-T. Auch da bezahlte sie selbst. Es gab dort im Allgemeinen bessere Tänzer, trotzdem versuchte sie, sich ein Bild zu machen, wie sie zurechtkamen, bevor sie sich von ihnen auf die Tanzfläche führen ließ. Sie kamen meistens aus der Stadt, während die im anderen Saal vom Land waren. Besser auf den Füßen – die aus der Stadt –, aber es waren nicht immer die Füße, auf die man aufpassen musste. Sondern auf die Stellen, wo sie einen anfassen wollten. Manchmal musste sie ihnen die Leviten lesen und ihnen sagen, was sie mit ihnen machen würde, wenn sie nicht aufhörten. Sie machte ihnen klar, dass sie hergekommen war, um zu tanzen, und dafür selbst bezahlt hatte. Darüber hinaus wusste sie, wohin sie die boxen musste, damit sie Vernunft annahmen. Manchmal waren sie gute Tänzer, und sie hatte wirklich Spaß. Dann, wenn der letzte Tanz gespielt wurde, stahl sie sich davon und lief rasch nach Hause.
    Sie sei nicht wie manche, sagte sie. Sie habe nicht vor, erwischt zu werden.
    Erwischt. Als sie das sagte, sah ich ein großes Drahtnetz herunterkommen, sah, wie böse kleine Biester es immer enger um sie wickelten, so dass sie keine Luft mehr bekam und überhaupt nicht herauskonnte. Sadie musste etwas davon auf meinem Gesicht gesehen haben, denn sie sagte, ich solle keine Angst haben.
    »Es gibt nichts auf dieser Welt, wovor man Angst haben muss, pass einfach auf dich auf.«
     
     
    »Du und Sadie, ihr redet viel miteinander«, sagte meine Mutter.
    Ich wusste, es war etwas im Anmarsch, auf das ich achtgeben musste, aber ich wusste nicht, was.
    »Du magst sie, nicht?«
    Ich sagte ja.
    »Ja, natürlich. Ich mag sie auch.«
    Ich hoffte, das war alles, und einen Moment lang glaubte ich das auch.
    Dann: »Du und ich, wir haben nicht mehr so viel Zeit füreinander, jetzt, wo wir die Kleinen haben. Sie lassen uns nicht viel Zeit, was?
    Aber wir lieben sie doch, nicht wahr?«
    Ich sagte rasch ja.
    Sie fragte: »Ehrlich?«
    Sie würde keine Ruhe geben, bis ich »ehrlich« gesagt hatte, also sagte ich es.
     
     
    Es gab etwas, was meine Mutter sich sehnlichst wünschte. Waren es nette Freundinnen? Frauen, die Bridge spielten und Ehemänner hatten, die im Anzug mit Weste zur Arbeit gingen? Nicht ganz, und ohnehin

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