Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)
ein Fiasko. Aber so, wie sie sich verhielt, bekam sie es vermutlich gar nicht mit. Je länger das Fiasko dauerte, desto wilder machte sie weiter. Unmöglich, sie von weiteren Versuchen abzubringen oder es ihr zu erklären. Konnte es sein, dass ein Mädchen so wenig wusste? Sie trennten sich schließlich, als wäre alles gutgegangen. Und verabschiedeten sich am nächsten Morgen in Gegenwart ihres Vaters und ihrer Brüder. Kurze Zeit darauf begannen die Briefe.
Er betrank sich und versuchte es noch einmal, in Southampton. Aber die Frau sagte: »Das reicht, Kleiner, du bringst es nicht.«
Es gefiel ihm gar nicht, wenn Frauen oder Mädchen sich herausputzten. Handschuhe, Hüte, raschelnde Röcke, alles eine Forderung und dann Scherereien. Aber wie sollte sie das wissen? Lindgrün. So sah man doch nur nach einer schweren Magenverstimmung aus.
Dann kam ihm der Einfall, dass jemand sich einfach nicht einfinden konnte.
Würde sie sich selbst oder irgendjemand anderem sagen, dass sie sich im Datum geirrt haben musste? Er konnte sich einreden, dass sie sich bestimmt eine Lüge ausdenken würde. Sie war schließlich erfinderisch.
Jetzt, wo sie auf die Straße hinausgegangen ist, verspürt Jackson den Wunsch, sie zu sehen. Er hätte den Hausbesitzer nie fragen können, wie sie aussah, ob ihre Haare dunkel oder grau waren und ob sie schlank oder inzwischen mollig war. Ihre Stimme hatte sogar unter Druck wunderbar unverändert geklungen. Alle Aufmerksamkeit auf sich ziehend, auf ihre Musikalität, und gleichzeitig alle Entschuldigungen vorwegnehmend.
Sie war von weit her gekommen, aber sie war eine hartnäckige Frau. Konnte man wohl sagen.
Und die Tochter würde zurückkommen. Zu verwöhnt, um wegzubleiben. Jede Tochter von Ileane wäre verwöhnt, würde sich die Welt und die Wahrheit ganz nach ihren Bedürfnissen zurechtrücken, als könnte nichts sie lange aus der Bahn werfen.
Wenn sie ihn gesehen hätte, hätte sie ihn erkannt? Er meinte, ja. Ganz egal, wie sehr er sich verändert hatte. Und sie hätte ihm verziehen, jawohl, auf der Stelle. Um sich ihr Selbstbild für immer zu bewahren.
Am nächsten Tag hatte sich jede Erleichterung darüber, dass Ileane aus seinem Leben fortgegangen war, verflüchtigt. Sie kannte dieses Haus, sie konnte zurückkommen. Sie konnte sich für eine Weile hier einnisten, die Straßen hier abgehen, auf der Suche nach einer Spur, die noch warm war. Mit gespielter Bescheidenheit bei den Leuten Erkundigungen einholen, mit dieser sich einschmeichelnden, aber verwöhnten Stimme. Es war möglich, dass sie ihm direkt vor dieser Haustür begegnete. Nur für einen Augenblick überrascht, als hätte sie ihn immer erwartet. Ihm die Möglichkeiten des Lebens entgegenhielt, wie sie es zu können vermeinte.
Dinge konnten beendet werden, das erforderte nur einige Entschlossenheit. Als er erst sechs oder sieben Jahre alt war, hatte er die Spielereien seiner Stiefmutter, das, was sie ihre Spielereien oder Neckereien nannte, beendet. Er war nach Einbruch der Dunkelheit auf die Straße hinausgelaufen, und sie hatte ihn zurückgeholt, aber sie sah ein, es würde ernsthaftes Weglaufen geben, wenn sie nicht aufhörte, also hörte sie auf. Und sagte, dass er ein Spaßverderber war, weil sie nie zugeben konnte, dass jemand sie hasste.
Er verbrachte drei weitere Nächte in dem Haus namens Bonnie Dundee. Er schrieb für den Hausbesitzer einen Bericht über jede Wohnung mit Angaben über die Fälligkeit der Renovierung und deren Umfang. Er behauptete, er sei abberufen worden, ohne anzugeben, warum oder wohin. Er räumte sein Bankkonto leer und packte die wenigen Dinge, die ihm gehörten. Am Abend, spät am Abend, stieg er in den Zug.
Im Laufe der Nacht nickte er immer wieder ein, und im Kurzschlaf sah er die kleinen Mennonitenjungen auf ihrem Karren vorbeifahren. Er hörte den Gesang ihrer hohen Stimmen.
Am Morgen stieg er in Kapuskasing aus. Er konnte die Sägewerke riechen, und die kühlere Luft munterte ihn auf. Hier gab es bestimmt Arbeit, in einer Stadt mit Holzindustrie.
Mit Seeblick
E ine Frau geht zu ihrer Ärztin, um sich ein neues Rezept geben zu lassen. Aber die Ärztin ist nicht da. Es ist ihr freier Tag. Die Frau hat sich im Tag geirrt, sie hat den Montag mit dem Dienstag verwechselt.
Das ist genau das, worüber sie mit der Ärztin reden wollte, nicht nur über das neue Rezept. Sie hat sich gefragt, ob ihr Verstand sich ein wenig trübt.
»Ist ja lachhaft«, hat sie von der Ärztin
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