LIEBES LEBEN
einen Film bequem, den ich nicht verstehen werde, weil man mit diesen Billigkopfhörern, die sie für fünf Dollar pro Stück verteilen, nichts hört, aber ich bin dankbar für die Ablenkung. Aber nachdem der Film angefangen hat und meine Beschämung allmählich nachlässt, wird mir plötzlich in aller Klarheit bewusst, was hier eigentlich läuft: Dr. Kevin Novak ist nicht gekommen! Glaubt der denn, man könne die umwerfende Ashley Wilkes Stockingdale einfach in einem teuren Restaurant sitzen lassen? Weiß er nicht, was mit verachteten Frauen geschieht? Denn »die Hölle kennt keine Wut wie die einer verschmähten Frau« ist für Frauen über dreißig noch stark untertrieben.
Kevin Novak hat mich in einem berühmten Lokal in San Francisco versetzt. Er hat nicht im Restaurant angerufen. Er hat mir keine Nachricht hinterlassen. Er hat meine umwerfende Wenigkeit einfach abserviert! Was hat er sich eigentlich dabei gedacht? Mir kommen Gedanken an die zierliche Arin mit ihrer kecken und begeisterten Art, und am liebsten würde ich meinem Pastor den Hals umdrehen, weil er mir eingeredet hat, dass Schönheit einzig und alleine eine Sache innerer Werte sei. Eine Sache des Herzens. Dabei geht es nicht im Geringsten um die inneren Werte. Es geht darum, eine perfekte Christin zu sein mit der Figur eines Unterwäschemodels.
Ich höre meinen eigenen Atem. Ich koche. Hier geht es nicht mehr nur um diesen Tag und den Anfang meines neuen Lebens. Es geht darum, dass ich niemanden habe, mit dem ich zur Hochzeit meines Bruders gehen kann. Ich habe niemanden, den ich so vorstellen könnte, wie ich Dr. Kevin Novak vorgestellt hätte, und er ist noch nicht einmal ein Ingenieur mit Doktortitel, sondern ein echter Doktor. Aber heute ist etwas anders. Ich bin entschlossen. Ich werde nicht nach Hause kommen und mich wieder zu den ewigen Singles setzen. Meine Zeit ist gekommen, und das werde ich mit jeder Faser meines Seins beweisen. Jedenfalls sobald ich diesen aufkommenden Zorn darüber, dass Kevin mich versetzt hat, überwunden habe.
Nach einem unruhigen Flug komme ich in San Francisco an und bin wütender, als ich je für möglich gehalten hätte. Ich wiederhole mein neues Männermantra: Überlass die Rache Gott. Überlass die Rache Gott.
Als ich durch den Zoll bin, hantiere ich in der Eile mit meinem Koffer und meiner Aktentasche und lasse beides auf äußerst spektakuläre und ungeschickte Weise fallen, wie in einer Samsonite-Werbeszene. Anstatt mir zu helfen, meinen Koffer wieder hinzustellen und die Dokumente, die aus meiner Aktentasche fallen, wieder einzusammeln, steigen die Geschäftsmänner natürlich über mich drüber. Ich hasse Silicon Valley.
Ich schaue auf und muss mehrere Male blinzeln, weil ich einen Mann sehe, der noch schärfer aussieht als Dr. Kevin Novak. Er steht da in einem dunkelblauen Anzug, mit einem Strauß champagnerfarbener Rosen und schaut mich an. Unbewusst streiche ich mir durch die Haare und halte das Kinn etwas höher. Schließlich ist heute mein umwerfender Freitag; da ist alles möglich.
Ich sammle meine Sachen auf und gehe entschlossen an diesem vollkommenen Mann vorbei. Ich lächle ihn herausfordernd an und falle fast in Ohnmacht, als er mir den Blumenstrauß überreicht.
»Ashley, äh, ich bin’s, Kevin.«
Ich blinzle, als hätte ich ein Zucken im Auge. Es ist tatsächlich Kevin. Er sieht unglaublich gut aus. Ich hatte vergessen, wie gut aussehend er ist, weil ich ihn innerlich auf eine Stufe heruntergefahren hatte, die ich verkraften konnte. Und er steht mit einem Blumenstrauß vor mir. Habe ich irgendwas verpasst? »Aber du warst heute nicht im Top of the Mark - ich meine gestern«, stammle ich.
»Ich weiß. Ich habe im Internet nachgesehen, und dein Flug war annulliert.« Er zuckt mit den Schultern. Seine Schultern sind breiter, als ich sie in Erinnerung hatte. Ob er wohl Schulterpolster im Jackett hat? Tragen Männer so etwas? Oder wäre das so wie ein Mann mit Kajal? Ich umarme ihn leicht und klopfe ihm dabei auf die Schulter. Nein. Hart wie Granit. Alles echt.
»Du hast nach meinem Flug geschaut?« Ganz ruhig bleiben, kleines Herz. Er ist einfach vollkommen.
»Mein Rückflug war auch zu spät, und da wollte ich sichergehen, dass du pünktlich kommst. Ich wollte nicht ohne Gesellschaft in diesem noblen Lokal sitzen und die schöne Aussicht betrachten. Ich käme mir vor wie Cary Grant, der auf dem Empire State Turm wartet.«
Ach du meine Güte. Er hat Cary Grant gesagt. Nicht Tom Hanks,
Weitere Kostenlose Bücher