LIEBES LEBEN
damit unbekannte Orte zu entdecken, auch wenn ich es niemals tue.
Seth lacht. »Das ist lustig, dass du danach fragst. Ich habe in letzter Minute noch daran gedacht, dass du dein Auto wahrscheinlich gleich haben willst, sobald du aus dem Flugzeug steigst. Also bin ich hinübergelaufen und habe es zu mir geholt. Es steht in meiner Garage.«
Visionen . Ich sehe, wie mein Auto kuschelig in seiner Garage neben seinem eigenen Auto steht. Er hat sich um mich gekümmert, hat vorausgedacht, was ich brauchen könnte, und ich interpretiere so viel hinein in sein Verhalten. Was mich nur zu einer noch erbärmlicheren Figur macht. Seth denkt immer an andere. Er hätte es auch getan, wenn ich irgendjemand anders aus seinem Freundeskreis wäre.
»Seth, was würde ich nur ohne dich tun? Wenn ich mich von unserem Firmenwagen rüberbringen lasse, bist du dann da?«
»Mach dir keine Mühe. Ich bringe es dir, wenn ich zur Arbeit gehe - was in ein paar Minuten sein wird. Ich kann mit einem Kollegen nach Hause fahren. Oder mit dem Bus.«
»Tu das besser nicht. Es könnte passieren, dass mein Bruder genau diesen Bus fährt, und er ist heute nicht gut drauf. Er hat mich heute morgen um sechs Uhr angerufen, um mir das zu sagen.«
»Bis bald.«
»Ich könnte dich selbst heimfahren«, biete ich ihm an.
»Ashley.«
»Seth, wirklich. Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet, dass du dich um meine Wohnung und mein Auto gekümmert hast - und mich zu Kay gebracht hast. Mir war einfach alles zu viel.« Jetzt kommen mir die Tränen. Das Letzte, was ich will, ist, Seth noch mehr schuldig zu sein als ohnehin schon.
»Ist schon in Ordnung, Ashley. Wie auch immer du es machen willst. Ich freue mich, eine Runde in deinem Flitzer fahren zu können.«
»Seth.« Ich verschränke die Arme. »Wir sprechen hier von meinem Baby.«
»Ein Baby, das von Null auf Hundert nur schlappe fünf Sekunden braucht.« Ich kann hören, wie er ein Lachen unterdrückt. Gauner . »Dein Flitzer und ich werden so gegen zehn Uhr bei dir sein. Ach, und ich habe auch alle Unterlagen für deinen Umzug. Larry wird deine Wohnung heute Abend ausräumen. Brauchst du vorher noch irgendetwas?«
Natürlich brauche ich noch was. Ich brauche alle meine Klamotten, aber mein Koffer wird auch reichen, ich kaufe mir ja neue Sachen für meine Verabredung, also ... »Nein, ich brauche nichts mehr.«
»Wenn du eine neue Wohnung hast, rufst du ihn einfach an, und voilà!, er bringt dir alle deine Sachen.«
Ich versuche, meine Befürchtungen zu unterdrücken, die ich bei dem Gedanken daran habe, dass ein Typ mit Namen Larry meine Wohnung ausräumt. »Klasse«, entgegne ich halbherzig.
Bevor ich mich über meinen eigenen Schreibtisch hermache, schlendere ich in Purvis Büro, um zu sehen, wo ich ihr helfen kann. Überall liegen Entwürfe und Dokumente herum. Ich fange an, den ganzen Papierkram in die dazugehörigen Mappen zu sortieren und abzuheften. Ich könnte das auch Dianna, unsere Sekretärin, machen lassen, aber ich weiß, wo die Sachen hingehören, und so ist es leichter für Purvi, wenn sie wiederkommt. Ich weiß es zu schätzen, dass ich jetzt nicht in Taiwan bin und noch zappelnde Krustentiere essen muss. Das verdanke ich Purvi, und ich will ihr zeigen, wie dankbar ich ihr bin. Viel lieber trinke ich doppelte Eis-Mokkas zum Frühstück.
Die männergeile Dianna meidet mich wie die Pest. Wir sind das genaue Gegenteil voneinander. Nicht dass ich denke, ich stehe über ihr; ich kann nur mit Fug und Recht sagen, dass ich ihr nichts zu sagen habe. Jedes Mal, wenn ich versuche, ein Gespräch mit ihr anzufangen, finden wir keine gemeinsame Basis. Ja, wir sind beide Frauen, aber damit sind die Gemeinsamkeiten auch schon erschöpft. Dianna sieht, dass ich sie beobachte, und unterbricht ihre Unterhaltung mit dem Botenjungen, Jim Bailey.
»Brauchst du irgendetwas?«, fragt Dianna.
»Hat Purvi die Unterlagen von Taiwan? Ich will etwas nachsehen.«
»Ich glaube schon. Lass mich mal nachsehen.« Sie stolpert auf ihren hochhackigen Schuhen hinaus.
Ich trommle mit den Fingern auf den Schreibtisch, weil ich mich nicht auf all die Arbeit konzentrieren kann, die vor mir liegt. Ich habe eine Idee, und mein Gehirn lässt nicht locker, bis ich der Sache nachgegangen bin. Ich schnappe mir einen Stapel Akten und gehe in mein Büro hinüber.
Dianna kommt hinter mir mit den Unterlagen. »Brauchst du noch irgendetwas anderes? Du siehst ziemlich angespannt aus.«
»Kannst du meine Tür
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