LIEBES LEBEN
höchstwahrscheinlich von der Topmarke Nordstrom. Sie sieht viel zu hübsch darin aus, um zu schwitzen, und wenn man ihre Kleidergröße bedenkt, scheint es eine Verschwendung von guter Kleidung zu sein. Ihre Möpse knabbern an ihren Füßen und warten auf ihren Morgenlauf.
»Können die Hunde mit dir mithalten?«, frage ich mit einem Blick auf ihre kurzen Stummelbeine.
»Nein, ich nehme sie im Burley mit.«
»Im was?«
»Im Burley. Das ist ein Sport-Kinderwagen zum Joggen.« Sie zeigt aus dem Fenster, und da steht ein leuchtend rot und gelbes Vehikel für Kinder, inklusive orangefarbener Sicherheitsfahne und Regenüberzug.
»Das ist nicht dein Ernst, die Hunde darin spazieren zu fahren?«
»Sie sind meine Babys.« Sie nimmt einen von den Hunden hoch und drückt ihn an ihre Wange. »Zumindest noch zwei Monate.«
»Ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich. Du brauchst dieses Kind wirklich. Hol es dir. Ich muss zur Arbeit.«
»Willst du nichts essen? Im Schrank sind Atkins Müsliriegel.« Arme Brea. Sie glaubt tatsächlich, zuckerfreie Soja-Riegel seien Frühstück. Für ein richtiges Frühstück braucht man mindestens Koffein. »Ich hole mir unterwegs einen Mokka.«
»Ein bisschen heftig, oder?« Breas wohlgeformte kleine Nase zieht sich in Falten.
»Na ja, ich versuche davon runterzukommen, aber du weißt ja, wie das ist.«
Sie gibt mir in ihrer verspielten Art einen Klaps. »Sei still. Ich meine ja nur, weil du immer jammerst, dass dir deine Klamotten nicht mehr passen und so.«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich kann mir ja neue kaufen. Apropos, ich lasse meine Wäsche hier«, erkläre ich. »Kann ich sie mir nach der Geschäftsreise frisch gewaschen wieder abholen?«
»Nachdem du soeben meine Babys beleidigt hast?« Sie fängt an, mit den Hunden in Babysprache zu reden.
»Dan Hollings am Freitag«, sage ich nur. Mehr braucht es nicht.
»Ja, ich wasche sie dir. Schreib mir eine Mail, wenn du angekommen bist, okay? Ich bin froh, wenn du mal einen normalen Job kriegst und hierbleibst.«
»Für Silicon Valley ist das ein normaler Job. Mit Hunden im Kinderwagen joggen gehen dagegen nicht.«
Breas Oberschenkel beweisen, dass sie mit ihren Hunden joggen geht. Meine Oberschenkel beweisen dagegen, dass ein Mokka mehr meiner grazilen Figur auch nicht mehr schadet.
Brea drückt mir einen Kuss auf die Backe. »Mach Urlaub.« Das sind ihre letzten Worte, bevor ich zur Arbeit gehe und mich freue, meinen heißgeliebten Audi wiederzuhaben. Wenigstens ein paar Dinge im Leben funktionieren noch.
Dianna ist heute Morgen nicht da. Die quälende Telefonschicht von gestern Abend muss ihr wohl den Rest gegeben haben. Sei freundlich, ermahne ich mich selbst. Aber Herr, muss ich zu allen freundlich sein? Kann ich mir nicht die Menschen aussuchen, zu denen ich freundlich sein will? So jammere ich innerlich.
Purvi ist da, telefoniert aber und hindert wahrscheinlich irgendeinen armen Tropf in Taiwan am Schlafen. Dort ist es Mitternacht. Ich räume meinen Schreibtisch so gut es geht auf und lasse Dianna so viel Arbeit liegen wie menschlich vertretbar. Dann erledige ich einige Anrufe, während ich auf letzte Anweisungen von Purvi warte, die mich wieder in das verflixte Flugzeug und die braune Luft zurückschicken wird. Inzwischen versuche ich alles, um die neuesten technischen Zeichnungen für das Patentamt zu bekommen.
»Bis in spätestens einer Stunde bekommst du die letzten Unterlagen«, ruft Purvi, als sie an meinem Büro vorbeigeht.
»Warte! Fliege ich mit dem drei Uhr Flug?«
»Ja, du bist gebucht. Deine Buchungsbestätigung und Fluginfos liegen bei Dianna auf dem Tisch.«
Purvi winkt ab und wendet sich einem unserer Chefs zu.
Ich drehe mich um, und da steht Dianna vor meiner Nase mit einem Blatt Papier in der Hand.
»Ich dachte, du bist noch gar nicht hier«, sage ich zu ihr.
»Bin schon seit einer Stunde hier.«
»Ich habe von zu Hause gearbeitet«, entgegne ich in einer Art vermeintlichem Wettstreit. »Sag Purvi, dass die Unterlagen für das Incline-Projekt auf ihrem Tisch liegen.« Ich werfe mein Haar mit einer schwungvollen Bewegung zurück, aber es bewegt sich natürlich nichts.
»Wie war deine Verabredung gestern Abend?« Dianna spielt mit den Augenbrauen, als würde ich ihr gleich etwas hoch Vertrauliches von meiner Verabredung verraten. Wenn es etwas sehr Vertrauliches gäbe, würde ich es vielleicht tun. »Ich habe seinen Porsche gesehen. Sehr beeindruckend. Wohin hat er dich
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