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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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nur dass ihre Augen freundlicher blickten.
    »Alle sagen, wir sehen aus wie Schwestern«, sagte Tatiana.
    Tatiana beherrschte das Imperfekt nicht, bemerkte Jackson. Dadurch blieb das Mädchen in der Gegenwart, in der sie keinen Platz mehr hatte.
    Er dachte an all die anderen Fotos toter Mädchen, die er betrachtet hatte, und spürte, wie sich das bleierne Gewicht der Melancholie wieder auf ihn legte. Josie hatte Alben über Alben mit Fotos, die Marlees Leben seit ihrer Geburt dokumentierten. Eines Tages würden sie zu Staub zerfallen, oder jemand fände ein Foto auf einem Flohmarkt oder was immer es in der Zukunft geben würde, und empfände vielleicht die gleiche Trauer um ein unbekanntes, vergessenes Leben. Tatiana stieß ihm ihren spitzen Ellbogen in die schmerzenden Rippen und zischte ihn an: »Passen Sie auf.«
    »Was ist mit den Kruzifixen?«, fragte er.
    »Sie kauft sie bei Juwelier, St. James Centre. Paar für sie, Paar für mich – Geschenk. Sie ist gläubig. Gute Person. Trifft schlechte Menschen.« Sie zündete sich eine Zigarette an und starrte in die Ferne, als sähe sie etwas, was nicht wirklich sichtbar war. »Sehr gute Person.«
    Beim Anblick der Zigarette lief ein Junge im Literaturfestival-T-Shirt auf sie zu. Mit einem Blick hielt sie ihn in zwanzig Schritt Entfernung auf.
    »Ich habe sie gefunden«, sagte Jackson. »Ich habe Ihre Freundin Lena gefunden, und dann habe ich sie wieder verloren.«
    »Ich weiß.« Sie nahm ihm das Foto wieder ab.
    »Gestern Abend haben Sie mir geraten, mich um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern«, sagte Jackson. »Aber jetzt sind Sie hier.«
    »Ein Mädchen kann nicht Meinung ändern?«
    »Gehe ich richtig in der Annahme, dass Terence Smith versucht, Sie umzubringen, weil Sie wissen, was mit Ihrer Freundin Lena passiert ist? Hat er sie umgebracht?«
    Tatiana warf die Zigarette auf den Boden. Der Junge im Literaturfestival-T-Shirt, der noch immer außerhalb der Reichweite ihres versteinernden Blicks stand, schoss vor und hob die brennende Kippe auf. Er sah aus wie ein Junge, der sich auf eine Granate werfen würde, um ein Menschenleben zu retten.
    »Woher kennt Terence Smith meinen Namen?«, fragte Jackson.
    »Er arbeitet für schlechte Leute, schlechte Leute haben Möglichkeiten. Sie haben
Verbindungen.«
    Das klang in Jacksons Ohren ziemlich vage. »Wie finde ich ihn?«
    »Ich sage schon.« Sie klang verdrossen. »Reelle Häuser für reelle Menschen.« Sie neigte sich auf ihre beunruhigende Art näher zu ihm und fixierte ihn mit ihren grünen Augen. »Sie sind sehr dumm, Mr. Brodie.«
    »Was Sie nicht sagen. Hat Terence Smith Lena umgebracht?«
    »Auf Wiedersehen«, sagte sie und winkte. Bis zu diesem Moment hatte er nicht gewusst, dass man sarkastisch winken konnte. Dann war sie fort, war in der beflissenen, Bücher liebenden Menge untergetaucht.
     
    Jackson gelang es, Martin aus E. M. Watsons zweideutigem Griff zu befreien. »Betty-May ist ihr lieber«, vertraute Martin ihm flüsternd an.
    »Wirklich?«, sagte Jackson. Er hatte eine Idee. »Sie haben kein Auto, oder, Martin?«
     
    Martins Wagen stand in der Straße vor seinem Haus, wo er ihn gestern Morgen zurückgelassen hatte. Die Einfahrt war mit Polizeiband abgesperrt, und eine Schar Polizisten, in Uniform und in Zivil, ging im Haus ein und aus. Jackson fragte sich, ob er gestern Abend im Park identifiziert worden war. Es war unwahrscheinlich, aber es war trotzdem am besten, den langen Arm des Gesetzes zu meiden. Martin dachte anscheinend das Gleiche, denn er schirmte sein Gesicht mit der Immobilienzeitung ab, die Jackson eben aufgehoben hatte. Wenn Richard Moats Mörder Martin wirklich angerufen hatte, dann hielt Martin Beweismaterial zurück, und Jackson war jetzt sein Komplize. Er seufzte bei dem Gedanken, wie viele Delikte er anhäufte.
    Jackson dachte an Marijut in ihrer rosa Uniform,
ein Mädchen, eher Freundin, hat einen Mann gefunden, der ermordet wurde in einem Haus, in dem wir putzen.
Und das war das Haus. Wieder einmal
Hilfe.
Sie schienen ihre Tentakel überall zu haben, wo Jackson auftauchte. Verbindungen über Verbindungen. Was wusste Martin über sie?
    »Nette Frauen«, sagte Martin, »die gut putzen. Sie tragen Rosa.«
    »Wie haben Sie bezahlt?«
    »Bar auf die Hand der Haushälterin. Ich lasse immer ein Trinkgeld liegen.«
    »Keine von ihnen … Wie soll ich mich ausdrücken, Martin? Keine von ihnen hat jemals Extradienste angeboten?«
    »Nicht wirklich. Da war ein nettes Mädchen

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