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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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ihn, er ging die Einfahrt zum Haus der Hatters entlang, das Handy am Ohr. Es war wirklich der Honda-Fahrer vom Dienstag. Der Honda-Fahrer hatte Richard Moats Handy. Wie war das möglich, wenn er nicht Richard Moat umgebracht hatte? Und warum hätte er Richard Moat umbringen sollen – außer es war der Honda-Fahrer, der Martins Laptop aufgehoben, seine Adresse gefunden hatte und nach Merchiston gefahren war, um Martin umzubringen? Etwas ergriff sein Herz und drückte es zusammen. Angst.
    Martin dachte, dass er an der Tür klingeln und sich auf die übliche Art anmelden würde, aber stattdessen schlich der Honda-Fahrer über den Rasen und baute sich vor der Terrassentür auf. Er beendete das Telefongespräch und holte den Baseballschläger hervor, erneut aus dem Nirgendwo. Er hob ihn hoch, als wollte er den Ball ins Außenfeld schicken, aber stattdessen zerschlug er das Türglas.

44
    D as war der Deal. Nachdem Celine Dion sich die Lunge aus dem Leib gesungen hatte, nachdem Tatiana sich durch die Obstschale gegessen hatte, griff sie in ihren BH , holte einen Memorystick heraus und sagte: »Wissen Sie, was das ist, Gloria?«
    »Ein Memorystick, glaube ich«, sagte Gloria.
    »Und wem gehört Memorystick, Gloria? Wem?«
    »Ihnen?« Gloria fragte sich, ob es sich um eine Art slawisch-sokratischer Ironie handelte. »Mir gehört er nicht«, fügte sie hinzu.
    Tatiana gab ihr den Memorystick und sagte: »Nein, ist
unserer,
Gloria. Wir teilen, fifty-fifty.«
    »Wir teilen was?«
    »Alles.«
    Das Buch des Magus. Grahams geheime Buchführung, alles auf einem winzigen Stück Plastik gespeichert, das Tatiana aus der Tasche von Grahams leichtem Sommeranzug genommen hatte, als er keuchend wie ein Fisch auf einem Apex-Bett lag.
    »Ich dachte, Sie hätten versucht, ihn wiederzubeleben«, sagte Gloria nachdenklich.
    Tatiana verzog das Gesicht wie ein trauriger Clown.
    »Nicht.« Gloria erschauderte.
    Heute Morgen hatten sie im Radio etwas über Pferde gebracht. Jemand hatte Dutzende Pferde in einem Stall eingeschlossen, war weggegangen und hatte die Pferde verhungern lassen. Gloria dachte an die großen braunen Augen der Pferde, sie dachte an
Black Beauty
, das traurigste Buch, das je geschrieben worden war. Sie dachte an all die Pferde mit traurigen braunen Augen, denen man helfen könnte, wenn man viel Geld hätte. Sie dachte an die kopflosen Kätzchen, an die mit Tesafilm umwickelten Sittiche, die verstümmelten Jungen.
    »Mhm«, sagte sie.
     
    Gloria blickte eine Weile nachdenklich auf die Border-Collie-Welpen des Bildschirmschoners, drückte dann auf die Leertaste, und ihr Computer erwachte zum Leben. Sie tippte »Ozymandias« und konnte einfach so Grahams okkulte Bücher öffnen.
    »Woher wissen Sie das Passwort?«, fragte Tatiana sie.
    »Ich weiß alles.«
    Gloria fielen viele Dinge ein, über die Tatiana wahrscheinlich nichts wusste (wie man Scones machte, wo die Scilly-Inseln waren, das Grauen des Alterns), aber sie wollte sie nicht auf die Probe stellen.
    Es rührte sie, dass Graham den Titel des Shelley-Gedichts als Passwort benutzt hatte. Vielleicht hatte er ihr Geschenk doch zu schätzen gewusst. Oder vielleicht hatte er auch nur das obskurste Wort genommen, das ihm eingefallen war.
    Grahams Memorystick enthielt jede Menge langweiliger Geschäftsunterlagen –
Machbarkeitsstudien, projektierte Summen, knappe Gewinnspannen
. Die Welt schien voller vager Konzepte, und man musste sich fragen – waren sie wirklich wichtig? (Waren sie überhaupt real?) Sollte das Leben eines Menschen nicht auf einfachen, fassbaren Dingen beruhen – ein Beet aus Wicken in einer Ecke des Gartens, ein Kind auf einer Schaukel, schräg einfallendes Winterlicht. Ein Korb voller Kätzchen.
    Es gab eine bedrückend große Datei mit E-Mails von Maggie Louden, kleine elektronische Billetdoux der Kategorie
Mein Liebling, mit dir ist es so wunderschön
. Tatiana las laut vor mit einem schleppenden, blutrünstigen Unterton, der die Gefühle ins Lächerliche zog. »
Hast Du mit Gloria über die Scheidung gesprochen? Du hast versprochen, dass Du dieses Wochenende mit ihr redest.«
    Im Anhang einer Mail befanden sich Fotos, manche von Graham und Maggie, die meisten nur von Maggie, aufgenommen vermutlich von Graham. Gloria konnte sich nicht erinnern, wann Graham zum letzten Mal ein Foto von ihr gemacht hatte.
    »Was für eine Schlampe«, sagte Gloria.
    Er war mit Maggie an Mariä Verkündigung nach York zu den Pferderennen gefahren, etwas, was Gloria

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