Liebesfilmriss
Minuten nach acht. Er war dort, wartete auf sie. Und sie war hier. Und so war es richtig. Ja, möglicherweise brachte es sie um, aber sie musste nur noch zwanzig Minuten aushalten; wenn sie bis halb neun nicht bei ihm war, wäre ihm klar, dass sie nicht mehr kommen würde, und er würde ausgehen.
Dreißig Minuten verstrichen.
Vierzig Minuten. Dann fünfzig. Sie war immer noch hier, sie war nicht zu Perry gefahren. Warum fühlte sie sich dann nicht besser?
Fünfzehn Minuten nach neun klingelte es an der Tür und jeder Nerv in Carlas Körper spannte sich an.
Sie öffnete die Haustür einen Spaltbreit, ließ die Kette vorgelegt, und zischelte: »Geh weg. Ich will das nicht.«
»Lass mich wenigstens herein.« Perry trug einen Hut in dem albernen Versuch, sich unkenntlich zu machen, und sprach mit gequältem Flüstern. »Ich kann nicht glauben, dass du mich zum Herkommen gezwungen hast. Laurel wohnt auf der anderen Straßenseite. Sie könnte jeden Moment aus dem Fenster schauen und mich erkennen.«
O Gott, o Gott. »Ich kann dich nicht hereinlassen. Ich kann’s einfach nicht.«
»Carla, ich gehe hier nicht weg.« Er meinte es eindeutig ernst. »Das hier ist zu wichtig. Wir müssen reden. Das weißt du!«
Carla zitterte. Ja, sie wusste es. Aber nicht hier in ihrem Haus, schräg gegenüber von Ginny.
»Ich komme zu dir in deine Wohnung. Du gehst jetzt. Ich komme in zehn Minuten nach.« Würde sie? Würde sie nicht? Sie wusste es selbst nicht.
»Versprich es«, flüsterte Perry.
»Ich verspreche es.« War das eine weitere Lüge? Vielleicht, vielleicht auch nicht.
»Zehn Minuten. Ich warte«, sagte Perry.
»Ist gut. Bis dann.« Carla schloss die Tür und sah durch das Fenster im Flur, wie sein Schatten sich zurückzog und er von der Terrasse zu seinem Wagen schlich, wo immer er ihn geparkt haben mochte.
Sie durfte nicht gehen, sie durfte einfach nicht.
Carla parkte ihren Wagen planlos um neun Uhr vierzig, zu erregt und mit zu viel Selbstverachtung, um ihr Spiegelbild im Rückspiegel zu prüfen, denn das hätte bedeutet, dass sie sich in die schuldbewussten Augen hätte schauen müssen.
Der Parkplatz war zweihundert Meter von seiner Wohnung entfernt. Carla eilte durch die schmale, dunkle Gasse und rief sich in Erinnerung, dass sie kaum etwas über Perry Kennedy wusste. Wenn man jemand zum ersten Mal traf, mochte man sich von seiner äußeren Erscheinung sehr angezogen fühlen, aber das sagte einem nichts darüber, wie dieser Mensch unter der Oberfläche war – es mochte eine Vielzahl höchst unattraktiver Eigenschaften geben, die es erst noch herauszufinden galt.
Also gut, sie war da, vor Perrys Laden mit dem Schaufenster voller bedruckter T-Shirts, daneben die Tür, die zu seiner Wohnung führte. Eine ganz normale, dunkelblaue Tür mit der Hausnummer 25 b als Messingschild, das ruhig einmal poliert werden könnte. Er war ihr im Grunde völlig fremd.
Krank vor Aufregung und Scham, Wollust und Angst und wider alle Hoffnung hoffend, dass es etwas geben möge, was sie von ihm loseisen könnte, klingelte Carla und wappnete sich dafür, dass Perry die Tür öffnete.
Sie holte tief Luft und wartete.
Und wartete.
Und klingelte erneut.
Und wartete noch einen Moment.
Nichts. O Gott, er war nicht da. Carlas Herz begann zu galoppieren, als ihre Panik zunahm. Wieso war er nicht da?
Immer noch kein Lebenszeichen. Sie konnte nicht noch einmal klingeln – er war nicht da und damit war die Sache erledigt. Oder er war da und wollte die Tür nicht öffnen. Oder er war da, aber er war in der Dusche ausgerutscht, hatte das Bewusstsein verloren und blutete in diesem Augenblick tragisch auf dem Badezimmerboden zu Tode …
Na schön, dann war er also ausgegangen.
Carla drehte sich um und wollte gehen. Das war es also, es war vorbei, bevor es begonnen hatte. Tja, sie sollte froh sein, dass wenigstens einer von ihnen zu Sinnen gekommen war und …
»Carla.«
Sie wirbelte herum. Er stand in der Tür und stieß einen unterdrückten Freudenschrei aus. Im nächsten Moment riss Perry, der seinen absurden Hut abgesetzt hatte, sie in seine Arme, küsste leidenschaftlich ihr Gesicht und drückte ihr die Luft aus den Lungen.
»Ich dachte, du hättest deine Meinung geändert«, plapperte Carla hilflos.
»Niemals.«
»Du hast nicht aufgemacht.«
»Ich war da oben.« Er zeigte auf das Fenster im ersten Stock. »Ich wollte sehen, wie lange du es versuchst.«
»
Sadist
.«
»Ich musste wissen, ob dir das so viel bedeutet wie
Weitere Kostenlose Bücher