Liebesfluch
Zeitungsartikel, flüstert eine gemeine Stimme in mein Ohr. Aber davon weiß er nichts.
»Ich habe keine Ahnung, wo die Zeltners Verbandszeug haben.«
»Vielleicht im Badezimmer«, schlägt er vor. »Hey, gib mir doch Mia, ich kann mit ihr spielen, während du das Zeug suchst.«
Ich zögere kurz, was aber völliger Quatsch ist, denn wenn er Mia auf dem Arm hat, kann er nichts anderes anfassen und außerdem bin ich ja gleich wieder unten. Also gebe ich ihm die Kleine und seine Mimik verändert sich schlagartig. Ein strahlendes Lachen überzieht sein Gesicht, das bis zu seinen Augen reicht – so möchte ich auch mal von ihm angeschaut werden, durchzuckt es mich. Gott, irgendwie verwirrt mich dieser Typ total!
Dann fabriziert er genau die blöden Geräusche, die Frauen von sich geben, wenn sie ein Baby auf den Arm nehmen. Allerdings habe ich das noch nie auf Deutsch gehört. Es klingt wie: »Dutzidutzi, und wo ist denn der Daumen, ja wo isserdenn.« Mia gluckst begeistert, mir entfährt ein lautes Lachen, doch Ju scheint mich überhaupt nicht mehr wahrzunehmen.
Also gehe ich die Treppen wieder hoch und durchsuche das Kinderbadezimmer, kann dort aber nichts finden.
Aus Sicherheitsgründen ist der Medizinschrank vielleicht im Badezimmer der Zeltners untergebracht. Aber ich bin unsicher, ob ich da suchen soll, denn dorthin gelangt man nur durch deren Schlafzimmer. Ich schleiche über den Gang, lausche nach unten, wo ich Ju deutlich hören kann, wie er mit der Kleinen herumalbert.
Dann drücke ich die Klinke zur Schlafzimmertür. Nichts passiert. Die Tür ist abgeschlossen.
Das gibt’s ja wohl nicht!
Was soll das denn bedeuten? Ganz klar, die Zeltners denken, ich schnüffle in ihren Sachen herum. Das ist der Hammer, sie vertrauen mir ihre Kinder an und verschließen ihr Schlafzimmer!
Ich laufe wieder nach unten.
»Ich glaube, Mia ist sehr klug«, stellt Ju fest.
»Warum?«
»Sie mag mich!« Er lässt seine beiden Finger an Mias Arm hochlaufen und zupft sie dann zart an ihrem Ohr, was sie sich quietschend gefallen lässt. »Sie hat erkannt, dass ich nicht nur nett bin, sondern …«
Sein Gesicht verschließt sich wieder und er drückt sie an sich. »Was ist denn los?«, fragt er mich. »Du siehst aus, als ob du eine Leiche entdeckt hättest.«
Ich bin kurz davor, ihm von meinem gestrigen Fund zu erzählen, doch dann denke ich, dass ich ihn nicht wirklich kenne und damit noch warten sollte.
»Keine Leiche, nur keine Ahnung, wo das verdammte Verbandszeug ist.«
»Versuch’s mal im Klo neben der Haustür«, schlägt er vor.
Verwirrt schaue ich ihn an. »Woher weißt du, dass im Flur ein Klo ist?«, frage ich.
Mir kommt es vor, als ob über Jus Gesicht eine leichte Röte zieht, doch das muss ich mir eingebildet haben, denn im nächsten Moment sagt er: »Weil außen an der Tür so ein albernes Messingschild ist, das einen Jungen beim Pinkeln zeigt.« Er lacht.
Ju scheint sehr aufmerksam zu sein; das Schild ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen, aber er hat recht. Und tatsächlich bewahren die Zeltners dort auch ihre Notfallapotheke auf. An der Wand hängt ein großer Kasten mit einem dicken roten Kreuz, in dem ein Schlüssel steckt.
Als ich ihn öffne, bin ich beeindruckt. Wahnsinn. Das ist ja die reinste Apotheke! Daneben ist Moms Medizinschrank eine Wüste. Etliche Desinfektionslösungen, sterile Mullverbände und Kompressen. Aber auch jede Menge Tabletten, Zäpfchen und Tropfen, Einwegspritzen und sterile Handschuhe. Wow!
»So viele Medikamente habe ich noch nie auf einen Haufen gesehen. Das glaubst du nicht!«, rufe ich zu ihm hinüber. Ich nehme Verbandszeug und gehe zurück zu Ju.
Er murmelt irgendeinen Kommentar, den ich nicht verstehe, klingt wie er wundert sich oder kein Wunder.
»Bist du bereit?«, frage ich. Er nickt geistesabwesend und gibt mir Mia, die wütend protestiert und wieder zu ihm zurückwill.
»Lass mich das machen«, sagt er und mustert Mullbinden und Kompressen. »Ich bin Rettungssanitäter, damit verdiene ich mir in den Semesterferien mein Medizinstudium.«
Ju will also mal Arzt werden, denke ich überrascht und beobachte ihn dabei, wie er Desinfektionsmittel auf sein Knie träufelt. Er stöhnt kurz auf und verbindet es dann schnell und gekonnt. Ich bin ziemlich beeindruckt. Wir hatten zwar auch Erste Hilfe in dem Kinderpflegekurs, den wir absolvieren mussten, aber meine Verbände haben nicht ein einziges Mal so sauber und ordentlich ausgesehen.
»Und was ist mit deinem
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