Liebesfluch
Zwillinge, die gerade meinen leeren Koffer mit den Eisenschnallen entdeckt haben, diese begierig ablutschen und sie fasziniert hin- und herklackern lassen.
»Und mit wem hatte ich das Vergnügen?« Stefan streckt Ju die Hand hin. »Ich bin Stefan Zeltner – und Sie?«
Ju ignoriert die Hand. »Ich bin Julius. Ein Freund von Blue. Ich gehe jetzt besser, unser Abend hat sich dann wohl erübrigt.«
Jus Stimme klingt so enttäuscht, dass ich ihn überrascht anschaue. »Hey, Moment, warte, ich bringe dich raus.« Ich werfe Stefan einen Blick zu, damit er die Zwillinge nicht vergisst, und gehe dann mit Ju nach draußen.
»Wie kann ich dich erreichen?«, frage ich ihn und an mir nagt das schlechte Gewissen, dass ich ihn so habe abblitzen lassen. Schließlich hat er sich wirklich Mühe gegeben, mich zu versöhnen.
Ju bleibt stehen und fährt sich durch sein wuscheliges Haar. »Hast du was zu schreiben?«
»Nein. Warte, ich hol einen Zettel.«
Ich renne zurück in mein Zimmer.
»Woher hast du das?« Stefan streckt mir mit zitternden Fingern die Mappe entgegen, die ich auf meinem Schreibtisch habe liegen lassen. So ein Mist, die habe ich völlig vergessen! Er hat sie aufgeklappt und starrt mir ins Gesicht, als wäre ich ein Gespenst.
»Was soll das?« Seine Stimme klingt scharf und ich zucke zusammen.
»Ich … ich erklär’s dir gleich, ich komme sofort wieder.« Ich nehme meinen Timer vom Tisch und renne raus zu Ju, plötzlich voller Angst, er könnte schon weg sein.
Verdammt, er ist weg. Ich laufe noch ein paar Schritte in den Garten, aber Ju ist nirgendwo mehr zu sehen.
Langsam gehe ich wieder zurück in mein Zimmer. Na gut, denke ich, während sich meine Gedanken überschlagen, dann rede ich eben ganz offen mit Stefan.
»Wer bist du?«, fragt Stefan, der unter seiner leichten Sonnenbräune ziemlich blass aussieht. »Wo hast du diese Sachen her? Was soll das, wer schickt dich?«
»Niemand schickt mich. Du bist derjenige, der mich als Au-pair engagiert hat«, erwidere ich und bin nun völlig verwirrt. »Und seit ich hier bin, passieren ständig komische Sachen. Ich weiß nicht, wer mir diese Mappe in den Koffer gelegt hat. Ehrlich gesagt, dachte ich, du wärst es gewesen.«
»Diesen Dreck hat doch keiner von uns aufbewahrt!«, entfährt es ihm wütend. »Wir haben genug gelitten. Anja musste jahrelang therapeutisch behandelt werden. Unsere Ehe wäre beinahe daran zerbrochen.« Seine Stimme ist nun so leise geworden, dass ich ihn kaum mehr verstehen kann.
Ich muss an das rote Nachthemd denken und merke, dass ich mir dabei, ganz genau wie Ju gesagt hat, auf meine Unterlippe beiße.
Stefan räuspert sich. »Sprich bitte Anja nicht darauf an. Wir müssen uns jetzt auf die Zwillinge konzentrieren. Es hat lange genug gedauert, bis es endlich geklappt hat, dass Anja wieder schwanger war.«
Er bückt sich und nimmt die beiden auf seine Arme, dabei kommt er ziemlich ins Schleudern, was Bennie und Mia scheinbar für ein Spiel halten, denn sie quietschen vergnügt.
»Wir sollten Anja wirklich nichts von alldem sagen.« Er schaut mich an und ich habe das Gefühl, dass er mir kein Wort von dem geglaubt hat, was ich ihm gerade erklärt habe. »Ich denke, wir werden dann gegen sieben Uhr essen gehen.«
Ich sehe ihm zu, wie er mein Zimmer verlässt und die beiden draußen am Planschbecken absetzt, sich davorkniet und mit der Hand prüft, ob das Wasser warm genug ist. Es scheint ihn nicht zu überzeugen. Er nimmt die beiden wieder hoch und geht weiter.
Langsam lasse ich mich auf mein Bett fallen. Ich fühle mich, als wäre ich hier ständig in einer Achterbahn unterwegs, und meinen ersten freien Tag hatte ich mir irgendwie auch anders vorgestellt. Erst Felix’ bösartige Großmutter, dann Anja mit dem Messer in der Hand, Ju, der aus dem Nichts auftaucht und wieder verschwindet – und schließlich Stefan. Und vor allem, wenn er es nicht war, der die Mappe in meinen Koffer gelegt hat – wer war es dann?
Ich starre nach draußen in den Garten, der in der Nachmittagssonne so friedlich und unschuldig aussieht. Mein Blick schweift über den Rasen zu den rosa-orange blühenden Rosen und bleibt dann am Planschbecken hängen. Ich mag dieses Planschbecken nicht.
14.
Auch weil du nach meinem Tod ganz allein in der Welt stehen wirst. Immerhin wird dich dieser Brief in die Lage versetzen, selbst nachzuforschen und dir eine eigene Meinung zu bilden. Glücklicherweise bist du nicht dumm.
Nachdem ich die Zwillinge ins Bett
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