Liebeskind
ungeheuer glücklich darüber gewesen war, dass es Tom gab, jetzt aber bereits ins nächste Gefühlstief mit ihm hineinschlidderte. Warum gabes nur so wenig Beständiges, das sie miteinander teilten? Und warum konnte sich Anna nicht irgendwann einmal in dem Bewusstsein zurücklehnen, dass sich Tom ebenso verantwortlich für die Erziehung von Ben und Paul fühlte wie sie selbst?
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„Allmählich scheinen die Zusammenhänge klarer zu werden, Kollegen“, begann Günther Sibelius die Dienstbesprechung an diesem Morgen. „Alle Opfer und Verdächtigen verbindet ihre gemeinsame Schulzeit im Merschenfelder Gymnasium. Alle, bis auf Hajo Wieland, der als Einziger aus diesem Schema herausfällt. Wir müssen daher herausfinden, ob es noch andere Berührungspunkte zwischen ihm, Herrn Herold und Herrn Lorenz gegeben hat. Außerdem müssen wir überprüfen, ob es Verbindungen zwischen ihm und Frau Rost gegeben hat. Dasselbe gilt übrigens auch für Monika Diebach. Andernfalls werden wir die Observation von Herrn Wieland sofort abbrechen. Diese Aufgaben übernehmen Sie, Frau Markisch. Auch denke ich, dass wir die Befragungen von Herrn Adomeit bis auf Weiteres einstellen sollten“, fügte Günther Sibelius mit einem Blick auf die Giraffe hinzu. „Oder sehen Sie das anders?“
„Im Moment spricht einiges dafür“, erwiderte Sigrid Markisch kleinlaut.
„Die Kollegen Greve und Weber werden den neuen Hinweisen nachgehen und alles daransetzen, sie zu erhärten, sodass wir endlich eine Großfahndung nach der verdächtigen Frau starten können. Ich werde mich dagegen noch einmal mit den Angehörigen von Doreen Rost, insbesondere mit ihrer Mutter, über deren Schulzeit unterhalten. An die Arbeit, Kollegen.“
Als sie alle bereits auseinanderstrebten, wandte sich Sibelius noch einmal an Lukas Weber: „Für wann haben Sie eigentlich die Vernehmung von Monika Diebach anberaumt?“
„Frau Diebach wird gegen 17.00 Uhr auf dem Präsidium sein.“
Robin Hollstein hatte sich für einen Tag freigenommen und befand sich auf dem Weg nach Maschen. Schließlich kannte er Arno Rost noch von früher und war Doreen außerdem immer verbunden gewesen. Als er wenig später vor dem Haus der Familie Rost stand, kamen ihm allerdings Zweifel, ob Arno seinen Besuch auch richtig verstehen würde. In keinem Fall wollte Robin für einen Menschen gehalten werden, der vorgab, mitzufühlen, hinter dessen Anteilnahme aber nur die nackte Sensationslust stand. Robin saß in seinem Auto und dachte noch darüber nach, was wohl das Richtige zu tun wäre, als bei den Rosts die Haustür geöffnet wurde. Zum ersten Mal seit vielen Jahren sah er Arno Rost wieder, an der Hand hielt er ein kleines Mädchen, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit Doreen aufwies. Hinter Vater und Tochter erschien nun auch Frau Possel. Alle drei stiegen in ein Auto ein, und Robin spürte die tiefe Verzweiflung, die von dieser schweigenden Prozession ausging. Robin wusste, dass er nun nicht länger warten durfte. Er würde versuchen, noch mehr herauszubekommen, und sollte Elsa tatsächlich etwas mit dem Mord an Doreen zu tun haben, würde er nicht zögern, seine Schwester bei der Polizei anzuzeigen.
Erneut hatte Elsa ihren Beobachtungsposten am Feldrand hinter Paulas Garten bezogen. Lange würde sie sich allerdingsnicht mehr in der Gegend aufhalten können, denn Robin schien langsam misstrauisch zu werden. Die Aufgeregtheit in seiner Stimme, als er sie gestern Abend wegen des Todes der Verräterin angerufen hatte, war ein deutliches Zeichen dafür gewesen. Andererseits hatte sich Robin schon immer schwer mit Entscheidungen getan. Ein paar Tage würde er also sicherlich noch zögern und seine Vermutungen überdenken, in keinem Fall würde er jedoch sofort eine Polizeistation aufsuchen. Elsa hingegen hatte für ihre eventuelle Flucht aus Deutschland schon alles durchdacht. Sie wollte nur noch einmal in ihrer Wohnung im Taunus vorbeischauen, um ein paar Dinge von dort mitzunehmen. Doch falls die Zeit zu knapp dafür werden sollte, würde Elsa zur Not auch ohne ihre Sachen aufbrechen. Bis es jedoch so weit war, wollte sie Paula noch eine Weile weiter beobachten. Denn das, was Elsa bisher herausgefunden hatte, sprach in der Tat dafür, dass Paula ihr die Freundin hätte sein können, nach der Elsa immer gesucht hatte. Paula schien, wie sie, allein zu leben, zumindest hatte Elsa die ganze Zeit über weder einen Kerl noch irgendwelche Kinder bei ihr gesehen. Genau wie am Tag zuvor arbeitete
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