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Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Stichworte, die wie Katalysatoren wirkten. Schon entbrannte der obligate Streit.
    »Sie hatte keinen Dünkel, sie hatte Klasse«, stellte Mathilde klar.
    Merle hatte den Krieg überstanden, die Flucht aus Pommern und die Zeugung Franziskas, über die sie nie ein Wort verloren hatte. Vom spätheimkehrenden Gatten wieder an den Herd verbannt, wurde sie zum sprichwörtlichen Hausdrachen. Nachdem sich ihr Mann im Jahr 1960 ihrem Regiment und ihrer verheerenden Kochkunst durch Herztod entzogen hatte, übernahm Merle wieder die Leitung der Hutfabrik. Wundersamerweise, so wußte ihre Tochter Franziska zu berichten, schmeckten von da an die eilig hingezauberten Mahlzeiten ausgesprochen gut.
    Vor gut vier Jahren war Merle gestorben, mit vierundachtzig.
    »Sie war ein Drachen. Ich weiß noch gut, wie froh du warst, zu mir zu kommen.«
    »Als sich bei dir akute Mutterliebe einstellte, war ich sieben. Wer weiß in dem Alter schon, was gut für einen ist?«
    Franziska seufzte und sah sich suchend um. Sie wird doch nicht hoffen, daß ich ihr einen Schnaps anbiete?
    »Wie wäre es mit einem Kaffee?«
    Franziska nickte, und Mathilde verrichtete die vertrauten Tätigkeiten, während Franziska lamentierte:»Was hätte ich machen sollen? Meinst du, ein Student und eine schwangere Achtzehnjährige hätten zweiundsechzig so ohne weiteres eine Wohnung bekommen? Das einzige, was ich durchsetzen konnte war, Kunstgeschichte zu studieren statt Architektur. Aber ich war sehr glücklich, dich nach dem Studium endlich bei mir zu haben.«
    Nach dem Studium und nach ein paar ausgedehnten Indientrips, ergänzte Mathilde im Geist und setzte die elektrische Kaffeemühle in Gang. Ihr Jaulen füllte den Raum. Als der Lärm verstummt war, kehrte Mathilde zum Ausgangspunkt des Gesprächs zurück: »Du kannst froh sein, daß der Zeck weg ist, wenn er nur auf Materielles aus war.«
    »Das sagst ausgerechnet du«, höhnte Franziska.
    Es war der alte Groll, der immer wieder aufflammte. Merle Degen hatte in ihrem Testament Haus, Hüte und Investmentfonds ihrer Enkelin Mathilde hinterlassen, und damit einen schwärenden Konflikt zwischen Mutter und Tochter geschaffen. Franziska besaß lediglich ein Wohnrecht für das Häuschen in Ricklingen. Natürlich hatte Merle gewußt, was sie tat. Schon den Pflichtteil hatte Franziska in Windeseile verjubelt.
    Während Mathilde zusah, wie das Wasser durch den Filter sickerte, überlegte sie: Gehörte es zu ihren Tochterpflichten, ihrer Mutter anzubieten, ein paar Tage hier zu wohnen, bis sie sich wieder gefangen hatte? Bei dieser Vorstellung sträubte sich alles in ihr. Nein, unmöglich. Sie ertrug keinen Menschen andauernd um sich herum und schon gar nicht Franziska. Wo sie hauste, sah es nach kurzer Zeit aus wie in einer Lotter-WG. Es reichte schon, zusehen zu müssen, wie sie das Häuschen vergammeln ließ und mit Krempel vollstopfte.
    »Wollen wir heute abend zusammen was unternehmen?« fragte Mathilde mit aufgesetzter Munterkeit und berstend vor Schuldgefühlen. »Ins Kino gehen oder zum Essen. Was ist, hast du Lust?«
    Franziska war aufbrausend und streitlustig, aber danach meist wieder rasch versöhnt. Doch nun kam keine Antwort.
    »Spiel nicht die Beleidigte, das steht dir nicht«, sagte Mathilde. Sie drehte sich zu ihrer Mutter um und sah, wie Franziska gerade ohne den leisesten Anflug eines Gewissensbisses den Brief auf den Tisch zurücklegte, bevor sie fragte: »Wer ist dieser Lukas Feller?«
    Treeske Tiffin starrte auf den abgeschnittenen Zopf, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag. Das tat sie nun schon seit einer Minute.
    Den Umschlag in der Hand stand Marion Klosa vor Tiffins Schreibtisch. Es roch nach frisch gebrühtem Kaffee. Sie war nicht ganz freiwillig hier. Der Vollzugsabteilungsleiter hatte sie und das Zopfproblem abgeschoben mit dem Argument, Krisenintervention sei Aufgabe des Psychologischen Dienstes.
    Endlich löste sich Treeske Tiffin vom Anblick des Zopfes. »Setzen Sie sich doch bitte, Frau Klosa.«
    Marion kam der Aufforderung nach.
    Die Psychologin sah Marion fragend an. Mit den großen, runden Augen erinnerte ihr schmales Gesicht an das eines kleinen, scheuen Nachttiers.
    »Was wissen Sie über den Zopf?«
    »Er kam vor drei Tagen, am Samstag, mit der Briefpost. Und weil der Brief übermäßig dick war, hat die Poststelle ihn geöffnet und mich über den Inhalt informiert. Diese Claudine, von der er stammt, besucht ihn seit knapp zwei Jahren und schreibt regelmäßig. Sie ist eines von seinen

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