Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
sich an Mathilde: »Was sagt denn deine Mutter zu Lukas’ Entlassung?«
»Die hat genug mit sich selbst zu tun. Ihr neuer Freund gehört zu einer dieser Freikirchen, die den Weltuntergang predigen. Darauf bereitet sie sich jetzt vor.«
Leona runzelte skeptisch die Stirn. »Hoffentlich läßt sie sich nicht Haus und Hof abschwatzen. Darauf legen es diese Typen doch häufig an.«
Mathilde verzichtete darauf, sie zu informieren, daß das zum Glück nicht möglich war. Sie fragte sich allerdings, ob dieser Erich Kunze darüber im Bilde war.
Jens war hinter Leona getreten und rüttelte an ihrer Stuhllehne. »Leona. Wir sollten jetzt wirklich gehen.« Sie stand auf und ließ sich von Jens zur Tür führen.
Mathilde und Lukas folgten den beiden.
»Vorsicht, da liegt Joghurt am Boden«, warnte Mathilde.
»Es war schön, mit euch zu reden«, sagte Lukas. »Wie sehr ich das vermißt habe: ein ganz normales Gespräch unter zivilisierten Menschen. Und Sekt aus richtigen Gläsern.«
»Siehst du!« trumpfte Leona trotzig auf und boxte Jens in die Seite.
Lukas legte den Arm um Mathilde. So standen sie in der Tür: ein Ehepaar, das seine Gäste verabschiedet.
»Ich wäre gern auf deine Insel gekommen«, sagte Lukas, als Mathilde ins Wohnzimmer trat. Um die plötzlich entstandene Leere zu füllen, die nach Abzug des Besuchs entstanden war, hatte sie in der Küche die Gläser gespült – von Hand. Es waren Erbstücke von Merle, zu empfindlich für die Spülmaschine. Im Grunde fast zu kostbar, um sie überhaupt zu benutzen.
»Warum hast du es nicht getan?«
»Ich darf bis zum Prozeß nicht ins Ausland und muß mich einmal in der Woche bei der Polizei melden.«
»Ach so«, sagte Mathilde ein wenig beschämt.
»Komm her.«
Steif setzte sie sich neben ihn auf die Kante des Sofas. Hinter dem Mandarinenduft witterte sie etwas Ledriges, Scharfes. Sie betrachtete sein Profil, das sich gegen die Helligkeit des Fensters abzeichnete. Mein Mann , dachte sie. Mann und Frau. Und sie werden ein Fleisch … Warum ihr gerade dieser religiöse Begriff in den Sinn kam, wußte sie nicht. Aber es war nicht der Moment, darüber nachzugrübeln.
»Ich war die letzten acht Tage draußen«, erklärte Lukas.
»Was heißt ›draußen‹?«
»Im Wald. Deister, Weserbergland. Ich mußte endlich wieder einmal ganz allein sein und unter freiem Himmel schlafen. Ich bin gewandert. Das habe ich früher oft gemacht. Ich lag jede Nacht da, habe mir die Sterne angeschaut und mich auf dich gefreut.«
Der einsame Wolf. Diese Rolle liebten wohl alle Männer. »Du hättest mir Bescheid sagen können. Ich hätte es verstanden.«
»Wenn ich mit dir geredet hätte, hätte ich dich gebeten, sofort zurückzukommen.«
Sie lächelte und wünschte sich, er würde ab jetzt schweigen und sie nur noch berühren.
»Endlich lächelst du.« Er strich ihr über die Wange, was bei Mathilde an völlig anderer Stelle Wirkung zeigte. Sie war drauf und dran, sich zu erlauben, glücklich zu sein. Glücklich und geil. Das Telefon klingelte.
»Ich geh jetzt nicht ran«, flüsterte sie, aber Lukas stand auf, nahm den Hörer vom Eßtisch und meldete sich mit seinem Namen. Sie hörte ihn wiederholt ja und nein sagen, dann murmelte er ein paar Zahlen und notierte sie auf einem Zettel.
»Am besten, Sie faxen mir den … Augenblick bitte. Mathilde? Wie ist unsere Faxnummer?«
Mathilde nannte sie ihm.
»Wozu?« fragte sie, als er aufgelegt hatte.
»Für die Presse. Die sollen mir ihre Konditionen unterbreiten, damit ich entscheiden kann, wem ich die Rechte an meiner Story gebe.«
Es kamen noch zwei solcher Anrufe an diesem Abend.
Lukas saß auf dem Sofa und sah fern. Mathilde deckte den Frühstückstisch.
»Was für ein Zirkus um die Leiche eines alten Mannes«, kommentierte sie die Bilder von den Menschenmassen auf dem Petersplatz.
»Sie werden ihn drei Tage lang im Dom aufbahren.«
»Wie unappetitlich.« Mathilde kräuselte die Nase.
»Sie präparieren ihn, damit er nicht riecht.«
»Drei Tage. Wie Jesus«, spottete Mathilde.
»Man sollte die Toten einfach im Wald ablegen, das wäre am Natürlichsten«, sagte Lukas. »Ein Körper verschwindet am schnellsten im Freien, sogar schneller als im Wasser. Wenn man ihn vergräbt, hält er sich jahrelang.«
»Ich bin trotzdem für Friedhöfe. Wie würden die Wälder sonst aussehen? Komm frühstücken.«
Er schaltete den Fernseher aus und setzte sich an den Tisch.
»Seit wann wußtest du, daß du entlassen wirst?«
»Als
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