Liebeslänglich: Kriminalroman (German Edition)
Kampfpanzern. Am 24. Februar um sechs Uhr begann die Bodenoffensive. Am Morgen des 25. Februar hatten die Franzosen As Salaman umzingelt. Zwei Legionäre der Spezialeinheit CRAP – das waren die Fernspäher – wurden durch eine Sprengfalle getötet, als sie ein Haus durchsuchten. Am Abend hatten die Franzosen die 45. irakische Division vernichtet und bei eigenen Verlusten von zwei Spähern und fünfundzwanzig Verwundeten knapp 3000 Kriegsgefangene gemacht. Am 28. März war schon alles zu Ende.«
»CNN hat uns den Eindruck vermitteln wollen, daß es sich um eine Art endoskopisch geführten Krieg handle«, sagte Mathilde.
»Dem war nicht ganz so«, gestand er. Seine Augen leuchteten lebhaft.
Es gab ein letztes Bild: Er allein in einer Uniform. Wieder trug er das helle Käppchen.
»Schicker Hut«, lästerte Mathilde.
»Das képi blanc . Gehört zur offiziellen Uniform, wird aber im Kampf nicht getragen«, erklärte Lukas. »Das war meine Unteroffiziersuniform. Sie muß noch in einem der anderen Kartons liegen.«
»Du wirst sie aber nicht wieder anziehen, oder?«
»Ich wollte damit eigentlich vor der Kanzlerwohnung auf und ab flanieren und schauen, was passiert.«
»Da mußt du dich beeilen. Wie es aussieht, sind wir hier bald nur noch Altkanzler.« Dann fragte sie: »Was verbindet dich so sehr mit Frankreich, daß du die Interessen dieses Landes mit deinem Leben verteidigt hast?«
»Mit Frankreich verbindet mich nichts. Die Legion war zehn Jahre lang mein Zuhause. So einfach war das.«
»Also war es eine Art Zuflucht. Wovor?«
Er zuckte die Schultern. »Vor der Tristesse des banalen Lebens.«
»Würdest du es wieder tun?«
»Sie würden mich nicht mehr nehmen, ich bin über vierzig.«
»Wenn du mit deinem heutigen Wissen noch mal vor dieser Entscheidung stündest, meine ich.«
»Es bringt nichts, darüber nachzudenken«, befand Lukas. »Aber ich möchte die Zeit nicht missen.«
»Wenn du darüber sprichst, klingt es nach Abenteuerurlaub. Gab es denn keine schrecklichen Erlebnisse?«
»Doch. Es war insgesamt sehr lehrreich.«
Mathilde schwieg und wurde nachdenklich. So langsam wurde ihr klar, warum Lukas ihren Alltagssorgen nicht viel Gewicht beimaß. Was bedeutete ein überzogenes Konto für einen, der in die Abgründe des Lebens gesehen hatte? Was war eine Schramme im Parkett gegen einen Schützengraben? Sie mußte mehr Geduld mit ihm haben, ihm mehr Verständnis entgegenbringen. Dafür war er ja auch etwas Besonderes. Als könne er ihre Gedanken lesen, legte er die Arme um sie und küßte sanft die Stelle zwischen Hals und Schulter. Sie spürte, wie der alte Zauber wieder wirkte. Trotz aller Reibereien fand sie Lukas immer noch ungemein attraktiv und begehrenswert. Vor allem in Momenten wie diesem.
Später lümmelten sie auf dem Sofa herum, Mathilde hatte sich in eine Decke gewickelt. Nach den ersten warmen Frühsommertagen war es an diesem Tag noch einmal kalt geworden. Der Wetterbericht warnte vor Nachtfrost.
»Die Schafskälte«, bemerkte Lukas. Er hatte schon die zweite Flasche dieses schweren, satten Burgunders geöffnet, nun war auch die fast leer.
»Ein Kamin fehlt hier noch«, meinte er. »Es ist wunderbar, abends ins Feuer zu schauen.«
»Irgendwann, wenn wir wieder Geld haben«, wehrte Mathilde träge ab. Sie war zu müde für einen Vortrag über Einnahmen und Ausgaben.
»Warum versucht du es nicht im Ausland?«
»Im Ausland ?«
»Deutsche Schulen gibt es auf der ganzen Welt. Du mußt einfach mal über den niedersächsischen Tellerrand schauen, Mathilde.«
»Ja, vielleicht«, gähnte Mathilde und fühlte sich auf eine wohlige Art bleischwer und müde. Sie hatte wahrscheinlich zuviel vom Wein erwischt. Dennoch dachte sie über seine Worte nach – zumindest in den zwei Minuten, die vergingen, bevor sie auf dem Sofa einschlief.
Es war zehn Uhr, aber noch immer lag der Morgendunst über der Stadt wie ein schlechter Traum. Franziska fröstelte, als sie mit einer Tasse dampfendem Kaffee in der Hand über das feuchte Gras ging, aus dem allmählich tatsächlich ein Rasen zu werden schien. Sie hatte die Heizung im Haus zu früh auf Sommerbetrieb gestellt und die halbe Nacht gefroren. Die Schafskälte. Aber im Atelier würde ihr gleich warm werden, denn sie hatte den Ofen über Nacht laufen lassen. In erster Linie wegen der Hanfpflanzen. »Ich kann sie doch nicht einfach sterben lassen, nachdem ich sie schon durch den Winter gebracht habe«, hatte sie Erich gegenüber argumentiert.
In
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