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Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie

Titel: Liebesleben/Mann und Frau/Späte Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
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beängstigend aus, dafür aber grausamer, sie bewegt ihr breites Becken, rät uns, von vornherein aufzugeben, den einfachsten Weg zu nehmen, der uns augenblicklich die Leiden des Morgen und des Übermorgen erspart, ihre Verführung wächst, sie ist wie eine Frau, deren Selbstvertrauen größer und größer wird, weil sie spürt, daß ihre Werbung erwidert wird.

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    Wie eine urzeitliche Eidechse liegt er bewegungslos im abgedunkelten Schlafzimmer, wie das versteinerte Überbleibsel einer ausgerotteten Spezies aus den ersten Tagen der Schöpfung, zwischen ihm und der Sonne, die er immer so geliebt hat, sind schwere Rolläden heruntergelassen, seine Haut wird blasser und blasser, Staubschuppen bedecken ihn, als wäre er in einem Museum ausgestellt, für das sich niemand interessiert, nur Noga schaut mittags bei ihm hinein, wenn sie hungrig und besorgt von der Schule kommt, ein stummer Blick, um sich zu vergewissern, daß er noch daliegt, auf dem Rücken, und mit offenen Augen vor sich hin starrt.
    Sein langer Körper wird kürzer, seine Schultern ziehen sich zusammen, es ist, als nähme er jeden Tag mehr das Aussehen seiner Jugend an, und wenn ich morgens, in ein Handtuch gehüllt, an ihm vorbeigehe und mir etwas zum Anziehen aus dem Schrank hole, bin ich so verlegen wie damals, ein großes breites Mädchen neben dem mageren Jungen, denn je kleiner er wird, um so mehr scheine ich zu wachsen, wir werden wieder zu den alten Jungen, als wäre alles, was uns seither passiert ist, nur vorübergehend und könnte einfach ignoriert werden. Auf einmal entdecke ich, nach Jahren der Magerkeit, die Wunder des Kühlschranks, ich komme von der Arbeit nach Hause und muß mir, bevor ich sein Zimmer betrete, den Bauch vollstopfen, vor allem mit Toast und Butter, hochaufgetürmte Scheiben wie jene, die mein Vater uns früher am Schabbatmorgen gemacht hat, krumme, schwankende Türme aus dünnen Toastscheiben mit Butterstücken, die dazwischen schmolzen, und Noga betrachtet erstaunt die Scheiben, die aus dem Toaster fliegen wie heiße Ohrfeigen, wie kannst du so braunen Toast essen, und ich lächle entschuldigend und schicke sie los, Eis für uns zu kaufen, je süßer, um so besser, vor allem liebe ich das Eis mit Schokoladenstücken, von dem man am längsten etwas hat, und dann sitzen wir uns gegenüber und schlecken wie zwei Schwestern, deren Eltern zu beschäftigt sind, um auf die Ernährung ihrer Kinder zu achten. Er, der Vollkommene, hätte mich sofort zurechtgewiesen, wie könnt ihr nur diesen Mist essen, er hätte das Einwickelpapier genommen und voller Abscheu die Liste der Zutaten vorgelesen, doch jetzt ist er gegenüber allem, was wir tun, vollkommen gleichgültig, auch wenn wir Gift äßen, würde er es nicht merken, nur meine Kleidungsstücke protestieren, nichts paßt mir mehr, die Jeans denken nicht mehr daran, sich zumachen zu lassen, mein neuer Hosenanzug weigert sich, meinen voller gewordenen Körper zu umhüllen, nur eines der weiten, formlosen Sommerkleider, die ich mir vor kurzem gekauft habe, bedeckt meinen verschwitzten Körper, wenn ich das Heim betrete. Die Mädchen betrachten mich erstaunt, erst haben sie gedacht, ich wäre schwanger, so wie sie, und eine neue schwesterliche Verbundenheit entstand zwischen uns, bis sich herausstellte, daß ihre gewölbten Bäuche etwas anderes bedeuten als mein weicher Hängebauch, in dem sich nur leblose Nahrung befindet.
    Die neuen Mädchen, die zu uns kommen, glauben, ich hätte immer so ausgesehen, so wäre ich nun mal, nur Chawa und Annat machen manchmal Bemerkungen, was soll das, Na’ama, was tust du dir an, aber dann wenden sie sich wieder ab, denn bei uns gibt es immer etwas Dringenderes, um das man sich kümmern muß. Manchmal bemerke ich, daß Annats Blicke mich mitleidig streifen, fast auffordernd, aber ich ignoriere sie, jetzt bin ich an der Reihe, ihr auszuweichen, um nicht zu hören, wie ihre Gedanken mich anschreien, ohrenbetäubend, ich habe ja gesagt, du sollst ihn verlassen, du hättest ihn schon vor Jahren verlassen sollen, was wird nun aus dir, du siehst ja, wenn man ein Haus auf schwachen Fundamenten baut, schwankt es, hast du wirklich geglaubt, guter Wille und Schuldgefühle reichen, um eine Familie zu gründen, und ich lehne mich innerlich auf, du hast mir nicht zu sagen, was ich tun soll, was weißt du schon vom wirklichen Leben, du hast es ja noch nicht einmal ausprobiert. Aber sie ist nicht die einzige, der ich ausweiche, ich gehe auch verheirateten

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