Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
wenn man über was lachen kann. Über das, was ich hier sehe, kann ich gar nicht lachen.“
Stimmen drangen wie durch eine Wand aus Watte an Roberts Ohr, und es dauerte lange, bis er begriff, wer da redete und über wen geredet wurde.
Er war damit gemeint, und die Drei, die an seinem Bett standen und darauf warteten, dass er endlich die Augen öffnete und damit bewies, dass er noch lebte, waren sein Sohn, seine geschiedene Frau und – völlig unerwartet –
Elisabeth Niehusen.
Sarahs Mutter hier? An seinem Bett? An diesem Sonntagvormittag? Robert verstand die Welt nicht mehr.
„Was ist passiert?“ Seine Stimme war zweifellos gezeichnet von der langen Nacht, die hinter ihm lag, und den zahlreichen Whiskys, die er getrunken hatte.
„Nichts“, antwortete sein Sohn reichlich amüsiert. „Außer, dass du uns heute zum Mittagessen eingeladen hattest. Tina kommt nachher auch noch.“
„Das glaub´ ich nicht“, stöhnte Robert gequält. Er hatte kaum die Kraft, sich aufzurichten.
„Es ist leider die grausame Wahrheit“, ergänzte Verena ohne das geringste Mitgefühl. „Du wolltest für uns kochen. Und weil Julian gerade in Hamburg war, ist er bei mir im NDR-Studio vorbei gekommen und hat mich mitgenommen.“
„Sie hat die Spätsendung moderiert“, fügte Julian, sichtlich stolz auf seine Mutter, hinzu. „Sie macht einen tollen Job. Alle sind begeistert von ihr.“
„Na, so was“, murmelte Robert und setzte sich auf die Bettkante. Sekundenlang starrte er ins Leere. Es entstand ein Schweigen, in das hinein schließlich Elisabeth mit bebender Stimme sagte:
„Ich bin eigentlich… nur zufällig hier. Ich komme jetzt aus Rostock. Paul und ich haben uns überworfen. Fragt mich nicht, warum. Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte… Und dann wollte ich dir endlich die Frage stellen, die mir auf der Seele liegt und mich fast umbringt, Robert. WO IST MEINE TOCHTER?“
Robert erhob sich, fuhr sich mit den Händen durch das kurze, graue Haar und erwiderte eher lakonisch als verärgert:
„Ehrlich, Elisabeth, ich weiß es nicht. Ich kann dir aber versichern, dass ich sie nicht umgebracht und im Stadtpark vergraben habe. Wo sie auch immer sein mag – ich habe keine Ahnung.“
Elisabeth schlug die Hände vor das Gesicht. „Mein Gott, das Kind kann doch nicht einfach so weg gehen!“
Darauf antwortete Julian ganz sachlich. „Natürlich kann sie das. Sie ist vierzig Jahre alt und weiß, was sie tut. Denn dass sie völlig kopflos los gerannt ist, kann man nun wirklich nicht sagen.“
Robert musterte seinen Sohn mit kritischem Blick. „Du weißt, wo Sarah ist, stimmt´s?“
„Nein“, sagte Julian. „Aber sie sendet mir manchmal eine Mail. Wenn es euch beruhigt – es geht ihr gut, sie wohnt bei netten Leuten und schreibt Gedichte.“
Er warf Robert einen raschen Blick zu, ehe er hinzufügte: „Sie will nicht, dass irgendjemand plötzlich dort auftaucht, um sie zurück zu holen.“
„Darum muss sie sich nicht sorgen“, wurde Robert daraufhin sarkastisch. „Dieser Irgendjemand denkt gar nicht daran, hinter ihr her zu fahren.“
„Wieso nicht?“ empörte Elisabeth sich. „Wenn du Sarah wirklich liebst, solltest du sie suchen.“
„Ich liebe sie immer noch“, unterbrach Robert sie mit gesenkter Stimme, „aber zurückkehren soll sie freiwillig und aus Liebe zu mir. Etwas anderes kommt nicht in Frage.“
Ringsum breitete sich Schweigen aus. Dann klatschte Verena in die Hände. „Ich schlage vor, Robert, du ziehst dich jetzt erst mal ins Bad zurück. Wir kümmern uns um das Essen. Tina will auch noch kommen, sagst du, Julian? Dann wäre eine einfache, schnelle Mahlzeit das Beste. Wisst ihr was? Wir backen Pizza. Andiamo!“
„Wie weit ist es von Rotorua bis Auckland?“
„145 Meilen. Das sind – lass mich mal ausrechnen – ungefähr 235 Kilometer.“
„Und wie lange brauchen wir dafür?“
„Da wir gegen Abend fahren, werden die Straßen nicht zu voll sein, vermute ich. Länger als dreieinhalb Stunden dauert es bestimmt nicht.“
Frederik hatte vorgeschlagen, am späten Freitagnachmittag loszufahren. Die Tage waren jetzt warm, die Frühlingsfrische allmählich in sommerliche Schwüle übergegangen. Ein großer, traumhaft schöner Vollmond stand schon am Himmel, als es noch gar nicht richtig dunkel war.
„Abends zu fahren ist einfach praktischer“, hatte Frederik auch erklärt. „Wir können die Strecke bis ´rauf nach Auckland genießen, ohne im endlosen Verkehrsstrom fest zu
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