Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
hätte.
Diesen Tag.
Diese Nacht.
Die zwei Jahre, die hinter ihnen lagen.
Sarah.
Und damit sein Leben.
Gleichzeitig presste Sarah ihre Stirn gegen Roberts Schulter, die für sie bislang immer das Sinnbild aller Zuverlässigkeit und Geborgenheit gewesen war.
Hier hatte sie Schutz und Trost gefunden, wenn ihre Welt zu wanken drohte – und das wollte sie nicht verlieren, nicht aufgeben müssen. Niemals. Um keinen Preis.
Robert schlief schon, als sie noch immer mit sich rang und sich vorwarf, weil sie ihm jene Frage nicht gestellt hatte, die sich zwischen sie drängte, gleichgültig, was sie taten.
Ich bin feige, klagte sie sich an. Erbärmlich feige. Wie einst das kleine Mädchen, das die Wahrheit nicht ertrug, nie ertragen konnte.
Sarahs Angst vor Roberts Antwort war größer und quälender als alle Ängste, die sie jemals hatte aushalten müssen.
Deshalb hatte sie ihn nicht gefragt.
Und er hatte nichts gesagt.
9. Kapitel
D er nächste Tag war klar und kühl, aber nicht kalt. Der Regen hatte Platz gemacht für einen klaren Himmel und unerwarteten Sonnenschein.
Beim gemeinsamen Frühstück traf sich noch einmal die gesamte Runde, mehr oder weniger gut ausgeruht nach der Geburtstagsfeier. Julian konnte auf dem für ihn viel zu kurzen, alten Sofa nicht so gut schlafen, wie er gehofft hatte. Paul Cornelius wirkte nach einer ausgiebigen Dusche und einem frischen Oberhemd, das Robert ihm lieh, auch kaum erholt, fühlte sich nach einer riesigen Portion Schinken und Eier allerdings etwas besser, wie er beteuerte, während Elisabeth den Eindruck machte, als hätte es die lange Nacht überhaupt nicht gegeben.
Sarah durfte ausschlafen, darüber war man sich einig. Als sie schließlich, direkt aus der Dusche, im flüchtig übergeworfenen Morgenrock aus matter, blauer Seide im Esszimmer erschien, waren bereits alle im Begriff, sich zu verabschieden.
Cornelius stand in der Diele und bestellte sich über sein Mobiltelefon ein Taxi, während Elisabeth vor dem Garderobenspiegel noch einmal ihre Frisur ordnete.
„Was ist denn hier los?“ fragte Sarah überrascht. „Mutter, du wolltest doch erst heute Nachmittag abreisen!“
„Paul hat mir angeboten, im Taxi mit nach Rostock zu fahren, um mir seine Firma zu zeigen“, erwiderte Elisabeth so gelassen, als wäre es absolut selbstverständlich, die Strecke von Lübeck bis nach Rostock in einem Taxi zurück zu legen.
„Paul?“ wiederholte Sarah verwirrt, fing sich dann jedoch sofort wieder, als ihr Blick auf Julian fiel, der sich jetzt aufrichtete, nachdem er seine Utensilien in einer Leinentasche verstaut hatte, die er sich achtlos über eine Schulter warf.
„Julian“, Sarah eilte schon auf ihn zu. „So kannst du doch nicht gehen!“
Sie strich ihm fürsorglich die Strähne seines dunklen Haares aus dem Gesicht, zupfte den Kragen seines Sweatshirts zurecht, und er ließ es sich mit einem kleinen, amüsierten Lächeln gefallen.
Sarahs Haar war noch feucht von der Dusche, ihr Gesicht leicht gerötet, sanft, rein. Sie erwiderte Julians Lächeln auf eine seltsam verlorene Art. Bildschön, irgendwie feenhaft, fand er, während ihm seine Erfahrung gleichzeitig sagte, dass eine Frau so nur aussah, wenn sie die Nacht mit einem Mann verbracht hatte.
Ach, er kannte sie ja viel zu gut, die Zeichen des erfüllten Begehrens. An Sarah sah er sie alle vereint und offen zur Schau gestellt. Die blühende Frische ihrer Haut, die gelassene, heitere Ruhe und Unbefangenheit, mit der sie sich bewegte, verrieten genug.
Diese andere, um ihre Macht wissende Sarah und ihr erotisches Selbstvertrauen verwirrte seine Gedanken und Gefühle auf eine Art, die ihn einerseits zornig machte, andererseits aber auch lähmte.
Sie war so nahe und vertrauensvoll wie nie zuvor, als ihm mit einigen Sekunden Verspätung jäh bewusst wurde, dass der Mann, mit dem sie das Bett geteilt hatte, sein Vater war.
Neidvoll, ja, geradezu eifersüchtig flog sein Blick über sie hin, glaubte an ihrem Hals einen winzigen, bläulich schimmernden Fleck zu erkennen und erglühte prompt bis in die Ohrläppchen bei dieser Entdeckung.
Es würde zukünftig schwierig sein, mit Sarah unbefangen umzugehen, ahnte er.
Er konnte nur dastehen und sie ansehen, und sie ließ es geschehen, nahm wie selbstverständlich seine Bewunderung hin, ohne zu wissen, dass er sich einen grässlichen Augenblick lang von ihrer neuen Ausstrahlung, ihrer Schönheit regelrecht verhöhnt fühlte.
Sie war sich indessen völlig sicher, dass er
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