Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
zerlegte diese Unternehmen in etliche Einzelteile, die er anschließend mit viel Gewinn Stück für Stück und ohne die geringsten Gewissensbisse weiter verkaufte.
Was aus den Menschen wurde, die durch die Zerschlagung solcher Firmen ihre Arbeitsplätze verloren, ging Cornelius nichts an, betonte er gerne, denn schließlich war er nur jenen anderen Heuschrecken zuvor gekommen, die genauso gehandelt hätten wie er.
Augenblicklich sorgte eine Baumarktkette für Schlagzeilen, die – eben noch als absolut solide gelobt – Insolvenz hatte anmelden müssen, und Cornelius zögerte nicht einen Moment, sich wie eine ewig hungrige Heuschrecke auf den Weg zum nächsten Opfer zu machen.
Seine Tochter Katharina, genannt Kitty, übertraf ihn allerdings noch in seiner unersättlichen Gier nach mehr, immer mehr. Während Cornelius jedoch ausschließlich dem Geld hinterher jagte, ging es bei Kittys Jagd um Männer. Auf diesem Gebiet kannte sie sich aus, da war sie unerbittlich, ja, grausam wie die Königin aller Heuschrecken: die Gottesanbeterin.
Als Robert Debus nach dem Wochenende, das er mit Sarah in Berlin verbracht hatte, weder am Montag noch am Dienstag, ebenso nicht am Mittwoch im Rostocker Firmensitz erschienen war, sich auch telefonisch nicht bei Kitty zurück gemeldet hatte, drohte sie ernstlich die Nerven zu verlieren.
Ihr Umgangston mit den Kollegen in den anderen Büros und in der Kantine veränderte sich mit jedem Tag, den Robert sie länger warten ließ. Erst wurde sie einsilbig, dann schroff, schließlich laut. Wohin sie auch ging, was sie auch tat – überall und immerzu suchte sie Robert.
Sie lungerte plötzlich in der Empfangshalle an der Rezeption herum, wo man sie sonst nie sah, sie blieb länger als alle anderen in der Kantine nach dem Mittagessen sitzen, wartete, redete, lachte mit den Frauen in der Küche, tat so, als wäre sie gerne mit ihnen zusammen, wartete weiter, zögerte, trödelte auf den Korridoren herum, und hoffte immerzu nur, dass er endlich kam.
Doch da er nicht kam, wagte sie am späten Mittwochnachmittag schließlich das Unglaubliche, das, was sie niemals hatte tun wollen. Sie tat es, weil sie nicht schon wieder ihren Vater fragen wollte. Paul brauchte nicht zu wissen, welcher Art ihre Gefühle für Robert waren.
Sie hatte immer wieder versucht, ihn über sein Mobiltelefon zu erreichen, ohne eigentlich zu wissen, was sie ihm sagen wollte, wenn er sich tatsächlich meldete. Aber er meldete sich ja nicht. Kein einziges Mal.
Also rief sie bei Robert zu Hause an.
Sie ließ das Telefon unzählige Mal in Sarah Niehusens Wohnung klingeln, doch niemand antwortete. Und da sie von nirgendwo eine Antwort erhielt auf das, wonach sie innerlich hungerte, wuchs ihre Verzweiflung und gleichem Maße wie jenes unerträgliche Gefühl von Verstörtheit und Machtlosigkeit.
Dabei hatte sie sich doch vor noch gar nicht so langer Zeit geschworen, dass kein Mann sie jemals wieder so verletzen sollte wie Robert Debus es gerade tat.
Sie starb beinahe vor Angst, dass er nicht wiederkommen würde.
Was tat sie, wenn er ihrer überdrüssig war?
Wenn er einfach … wegblieb?
Ach, lieber Gott, bitte, das nicht. Bitte… bitte…
Es wäre ihre Schuld.
Nur ihre Schuld. Wie immer.
Jeder Mensch war der Eigentümer der eigenen Taten und Erbe seiner Handlungen, hatte irgendwann ein Psychologe zu ihr gesagt und hinzu gefügt, dass sich die meisten jedoch lieber in leeren Gesten und Gebärden versteckten und in hohle Worte flüchteten, nur um sich nicht der Wahrheit stellen zu müssen.
Damals hatte Kitty nicht verstanden, was der Mann ihr eigentlich damit sagen wollte.
Inzwischen begriff sie.
Kurz vor Feierabend klopfte es kurz und kräftig an die Tür zu Kittys Büro. Dieses Klopfen klang genauso, als käme es von Robert, und während ihr Hals plötzlich wie zugeschnürt war und ihre Stimme versagte, sah sie ihn bereits in der Tür stehen – groß, mit schmalen Hüften und langen, harten Beinen, das graue Haar kurz, die dunkelblauen Augen freundlich blickend, während in seinem linken Mundwinkel jenes unvergleichliche kleine Lächeln hockte…
Als die Tür sich öffnete, brach dieses Bild augenblicklich erbarmungslos zusammen, denn es stand dort lediglich ein Bote, der wichtige Post für Kittys Vater brachte, und während sie noch um Worte rang, warf der junge Mann den schweren Briefumschlag vor ihr auf den Schreibtisch, ließ sie wortlos irgendein Papier unterschreiben und war dann auch schon wieder
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