Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
die an der Rezeption saß und immer noch hoch konzentriert die Daten verfolgte, die über den Bildschirm flimmerten.
„Nur noch eine Besucherin, Frau Doktor“, erwiderte sie, ohne den Kopf zu heben. „Frau Niehusen.“
„Oh!“ sagte Maren überrascht. Dann erhellte ein Lächeln ihr Gesicht. „Sarah. Bitten Sie sie zu mir herein.“ Doch bevor die Sprechstundenhilfe reagieren konnte, ging Maren bereits an ihr vorbei, öffnete die Tür zum Wartezimmer und rief:
„Komm ´rein, Sarah! Nett von dir, mal vorbei zu schauen.“
„Danke.“ Sarah wirkte ein wenig gehemmt. „Störe ich auch wirklich nicht? Ich weiß gar nicht, wie ich dazu komme… Ich meine, ich stand plötzlich vor deiner Praxis und rechnete eigentlich nicht damit, dass du noch hier bist.“
„Nein, du störst nicht“, unterbrach Maren sie schmunzelnd. „Im Gegenteil, ich freu´ mich, dich zu sehen. Ich werde Frau Sievers bitten, uns einen Kaffee zu machen, ehe sie geht.“
„Sie wird uns zum Teufel wünschen“, ahnte Sarah schuldbewusst.
„Ganz sicher nicht.“
So war es. Nachdem die Sprechstundenhilfe zwei Becher Kaffee und einen Teller mit Gebäck ins Sprechzimmer gebracht und sich danach verabschiedet hatte, dehnte Maren sich ausgiebig. „Ach, es ist schön, dich wieder zu sehen. Ich habe mich öfters gefragt, wie es dir wohl geht. Und da ich nichts von dir hörte, habe ich mir keine Sorgen mehr um dich gemacht.“
Sarah lächelte. „Dazu gab es auch keinen Grund. Andererseits hast du mal gesagt, dass wir alle irgendwann Hilfe brauchen, jemanden, bei dem wir uns aussprechen können. Also, Maren? Ich habe das Bedürfnis, dir mein Herz auszuschütten und dich gleichzeitig um etwas zu bitten.“
Maren zuckte nicht mit der Wimper, als sie fragte: „Wegen Robert?“
„Ja, natürlich. Woher weißt du das?“
„Ach, Sarah, vor dir haben auf dem Stuhl, wo du jetzt sitzt, schon unzählige Frauen gesessen, die wie du meinten, sich mir anvertrauen zu müssen, und immer ging es um Männer. Außerdem bleibt in dieser Stadt nicht lange etwas verborgen. Manchmal wissen die Leute hier längst Bescheid, haben etwas gehört und weiter erzählt, wovon man selbst noch gar keine Ahnung hatte.“
Sarahs Lächeln wirkte etwas gequält. „Heißt das, man redet bereits über Robert und mich und das… was passiert ist?“
„Lass es mich so ausdrücken – es macht ein Gerücht die Runde. Der Name Debus ist bekannt, Robert kommt aus einer der ältesten hiesigen Familien, die immer noch ein Begriff ist.“
Sarahs Lippen zitterten ganz leicht, sie konnte es spüren und musste sich zwingen, jetzt nicht in Tränen auszubrechen.
„Er… er hat… mich betrogen“, flüsterte sie schließlich, ohne Maren dabei anzusehen.
„Betrug ist ein schwerer Vorwurf, Sarah. Damit sollte man vorsichtig umgehen.“
„Eine Sache wird zum Betrug, wenn der Betreffende etwas vor dem Menschen verschweigt, der ein Recht darauf hat, davon zu erfahren“, beharrte Sarah, jetzt trotzig.
Maren schwieg eine Weile. „Und was kann ich für dich tun?“ wollte sie schließlich sachlich wissen.
Sarah besann sich. Sie setzte sich sehr gerade hin, strich in der für sie typischen Geste mit zwei Fingern ihr Haar zurück hinter das linke Ohr, um dann genauso sachlich zu antworten:
„Ich weiß, dass Ilka Steffen immer deine Patientin war. Seit einiger Zeit ist sie zurück von irgendwo, wohin sie sich für fast drei Jahre verkrochen hatte. Ich vermute, sie war inzwischen bei dir hier in der Praxis. Ich brauche Ilkas Adresse, Maren. Und nicht nur das – ich brauche ihre Hilfe. Dringend.“
Maren schwieg.
Als sie dann sprach, war ihre Stimme kühl. „Sarah, du weißt, dass ich Patientendaten nicht weiter geben darf. Alles, was mir meine Patientinnen anvertrauen, unterliegt der Schweigepflicht.“
„Ich will keine Daten wissen, sondern lediglich Ilkas jetzige Adresse.“
„Warum gehst du dann nicht zum Einwohnermeldeamt?“
„Da war ich schon, aber Ilka hat sich nicht angemeldet.“
Das ließ Maren vorübergehend verstummen.
Schließlich wollte sie wissen: „Wozu brauchst du ihre Adresse?“
Sarah seufzte. „Ich wollte es eigentlich nicht zum Thema machen, Maren, aber – ich werde für einige Zeit von hier weg gehen. Das wird für manche Leute unerwartet kommen. Zum Beispiel für meinen Vorgesetzten, Direktor Hoffmüller. Ich habe eigentlich ein Sabbatjahr angestrebt, aber nicht zu diesem Zeitpunkt. Ich wollte im nächsten Jahr mit Robert nach Südamerika. Das
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