Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
erübrigt sich ja nun.“
„Wieso bist du dir da so sicher? Hast du schon mit Robert darüber geredet?“
„Nein. Aber ich will jetzt weg von hier. Ohne ihn. Ich brauche Zeit für mich, um mir über ein paar Dinge klar zu werden. Ich weiß, es hört sich banal an, weil das immer alle sagen in so einer Situation, aber ich… also, für mich ist es besser, für längere Zeit alleine weg zu gehen.“
„Was hat Ilka damit zu tun?“ wunderte Maren sich immer noch, woraufhin Sarah trocken erwiderte:
„Sie soll meine Stelle am Kant-Gymnasium übernehmen. Denn ich habe auch herausgefunden, dass sie noch immer ohne eine Anstellung an irgendeiner Schule hier ist.“
„Na, Prost Mahlzeit“, seufzte die junge Ärztin nun auf. „Etwas kompliziert, das Ganze, findest du nicht auch?“
„Nun ja, manchmal ist es eben nicht anders zu schaffen“, murmelte Sarah.
Maren schaute auf den Bildschirm ihres Computers, der noch immer eingeschaltet war. Dann flogen ihre Finger über das Tastenfeld und während sich vor ihren Augen die Buchstaben zu Wörtern formten, sagte sie halblaut:
„Ich gebe dir Ilka Steffens Adresse, Sarah. Du liest sie, prägst sie dir ein und vernichtest sie sofort wieder, verstanden? Und dann möchte ich nie, niemals wieder darüber ein Wort verlieren müssen, okay?“
„Danke“, Sarah atmete auf. „Danke, Maren. Vielen, vielen Dank.“
Maren schob ihr schweigend einen Zettel, auf den sie rasch einige Worte gekritzelt hatte, über den Schreibtisch hin. Sie sah Sarah dabei nicht an.
Sie brachte Sarah bis zur Tür, dann kehrte sie nachdenklich an ihren Schreibtisch zurück. Dort saß sie noch einen Moment lang reglos, nachdem sie den Computer endgültig ausgeschaltet hatte.
Sie war sich ganz sicher, dass man sich um Sarah Niehusen keine Sorgen machen musste. Sarah würde mit ihrem Problem fertig werden. Es waren Robert und Ilka, um die man bangen sollte. Sie waren eindeutig die Schwächeren, nach außen hart und scheinbar unverletzlich, innen jedoch weich und angreifbar.
Bei Sarah war es umgekehrt.
Unter ihrer scheinbaren Sanftheit und Ruhe verbarg sich eine starke, ja, zeitweise rücksichtslose und rastlose Natur, die sich immer durchsetzen würde.
Nein, Sarah musste nicht bemitleidet werden.
Im Gegenteil, Maren bedauerte jeden, der ihren Weg kreuzte. Eine Frau wie Sarah konnte einen Mann wie Robert Debus zugrunde richten und gleichzeitig für einen anderen voller Liebe und Hingabe sein.
„Des Einen Tod, des Anderen Brot“, murmelte Maren Schellhorn halblaut, und es klang, als wollte sie sich mit dieser uralten Weisheit selber trösten.
Dann stand sie auf, löschte überall das Licht, schloss Türen und Fenster, um endlich in ein erholsames Wochenende fliehen zu können.
Indes lenkte Sarah ihren Wagen im Schritttempo durch die Innenstadt, während sie gleichzeitig das Mobiltelefon an ihr rechtes Ohr presste. „Julian? – Wie geht es dir? – Lüg nicht. Ich höre, dass es dir nicht gut geht. – Du hast Jessica also besucht? – Nein, das musst du mir nicht jetzt erzählen. – Wir werden dafür später noch Zeit haben. – Hör mal zu, Julian. Was ich dir neulich schon sagen wollte… Gib deine Hamburger Wohnung auf, okay? – Jawohl, weil du sie nicht mehr brauchst. Und sie dir auch nicht leisten kannst. – Ich möchte, dass du zu uns kommst. – Das heißt, zu Robert. – Ich fahre für einige Zeit weg. – Wieso nicht? Ich gönne mir einfach eine Auszeit. – Wie lange? – Weiß ich nicht. – Du kannst mit deinem Vater in unserem Apartment wohnen. Das ist groß genug für euch zwei. Wie findest du das? – Gut. Ich hatte gehofft, dass du das sagst. – Nein, es kostet dich nichts. Außer vielleicht etwas Geduld Robert gegenüber. – Er wird dich brauchen, Julian. – Weil er nicht gut alleine sein kann. – Ich werde es ihm selbst sagen, vielen Dank. – Pass auf dich auf. – Ich weiß, Julian, aber du sollst so was nicht sagen. – Weil ich es nicht hören will. Und weil du für mich immer mein bester Freund sein wirst, aber nicht mehr. – Danke. Nun leg dich wieder hin. Und hör auf, Rotwein in dich rein zu schütten. – Alkohol löst keine Probleme. – Ja, ich freu mich auch. Tschüß…“
Mit einem tiefen Aufatmen beendete sie das Gespräch. Sie hatte das kleine Telefon eben auf dem Beifahrersitz abgelegt, als von außen jemand an das Fenster klopfte. Als sie den Kopf wendete, erkannte sie einen Polizisten, der ihr unmissverständlich zu verstehen gab, dass sie die
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