Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
Scheibe herunter lassen sollte.
„Sie wissen, dass Telefonieren während der Fahrt verboten ist?“ fragte der Beamte vorwurfsvoll, und Sarah, inzwischen zu kraftlos, um sich noch auf eine längere Diskussion einzulassen, seufzte resigniert.
„Natürlich? Wie viel?“ Sie zückte bereits ihre Geldbörse.
Soviel unerwartete Bereitwilligkeit verschlug dem Polizisten dann doch die Sprache.
15. Kapitel
D irektor Hoffmüller fühlte sich in diesen Tagen von tausend Ängsten und bösen Ahnungen bedrängt. Ihn beschäftigte beinahe pausenlos die Frage, ob das Blatt Papier, das Sarah Niehusen ihm durch seine Sekretärin auf den Schreibtisch hatte legen lassen, wirklich ernst gemeint war oder ob es sich dabei um einen Witz handelte.
Sarah ließ ihn in genau drei Sätzen wissen, dass sie gedenke, die von ihr für das nächste Jahr angekündigte Auszeit – auch Sabbatjahr genannt – bereits unmittelbar nach Ende dieses Schuljahres antreten zu wollen.
Hoffmüller hatte sofort mit ihr darüber reden und sie unmissverständlich wissen lassen wollen, wie er über dieses Vorhaben dachte, aber sie war an diesem Tag direkt nach Unterrichtsschluss verschwunden.
Am nächsten Morgen hatte sie sich bei seiner Sekretärin krank gemeldet. Prompt fühlte Hoffmüller sich übergangen und begann sich zu fragen, womit er das verdient hatte.
Doch diese Frage verwarf er wenig später schon. Ihm war nicht entgangen, dass Sarah sich in der letzten Zeit verändert hatte. Sie strahlte eine rätselhafte Unruhe aus, die ansteckend wirkte, sobald man in ihre Nähe kam. Es war, als ob etwas in ihr lauerte, das jeden Augenblick ausbrechen konnte.
Die seichten Gespräche der Kollegen im Lehrerzimmer, die endlosen und ewig gleichen Diskussionen über Zensuren und Zeugnisse, die stereotypen Fragen und Antworten der Anderen, die überlauten Stimmen, die Gerüchte und Klatsch weiter trugen – das alles war an Sarahs höflicher Unnahbarkeit und Reserviertheit abgeprallt.
Nicht nur Direktor Hoffmüller kam irgendwann zu der Erkenntnis, dass sie niemandem zuhörte, sondern immer nur in sich hinein lauschte.
So wurde Sarah immer öfter, kaum, dass die Tür hinter ihr zufiel, zum Gegenstand des allgemeinen Interesses bei Lehrern ebenso wie bei ihren Schülern. Ihr unerklärliches Verhalten lieferte Stoff zu lauthals geäußerten Missbilligungen und geflüsterten Verdächtigungen.
„Wahrscheinlich hat sie eine Affäre“, meinte eine der jüngeren Kolleginnen viel sagend lächelnd, während eine Andere beschwichtigend hinzufügte:
„Ich vermute mal, es war alles etwas viel für sie. Die Abiturprüfungen, dann ihr 40. Geburtstag, und außerdem diese Wochenendbeziehung, die ihr wie ein Mühlrad am Hals hängt.“
„Sie könnte natürlich auch schwanger sein“, warf daraufhin einer der männlichen Kollegen lakonisch ein, und schon verstummten alle schlagartig.
Hoffmüller fand, dass Schwangerschaft als Einziges ein guter Grund für Sarahs Überreaktion sein mochte, jedoch auch nicht ausreichte, sich plötzlich für ein ganzes Jahr, zumal so unerwartet, aus dem Schuldienst zurück zu ziehen.
Ilka wohnte in der Engelsgrube, gewissermaßen im Kern der Altstadt, wo ein wahres Gewirr an engen Gassen herrschte, in denen sich Fremde oft verirrten. Obendrein verlangte das alte Kopfsteinpflaster dem Fußgänger einiges ab, denn so mancher hohe Absatz war hier schon abgebrochen oder eine schicke Sandalette zwischen den Steinen einfach hängen geblieben.
Indes erweckten die schmalen, kleinen Häuser, die dicht an dicht schief aneinander lehnten, immer den Eindruck, als müssten sie sich gegenseitig festhalten, um bei Regen und Sturm nicht davon getragen zu werden.
Es war keine so genannte „feine“ Gegend, in der Ilka wohnte, registrierte Sarah sofort, während sie rasch vorwärts eilte, immer mit dem Blick nach einer ganz bestimmten Hausnummer suchend.
Endlich, nach fast einer halben Stunde, konnte sie aufatmen.
Es war ein schmales, weiß getünchtes Haus mit einem flammendrot blühenden Rosenbusch neben der Eingangstür, während sich am Giebel eine zartrosa Klematis bis zum Dach hinauf gearbeitet hatte.
Sarahs Staunen angesichts einer solchen Pracht währte jedoch nicht lange, sie hatte das Messingschild mit dem Namen und dem Klingelknopf schon entdeckt, las „I. Steffen, 2 x läuten!“ und genau das tat sie.
Sie klingelte zweimal kurz, aber entschlossen – und dann wurde ihr schwindelig. Obwohl es gar kein heißer Tag war und sie sich eben
Weitere Kostenlose Bücher