Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
sollte…
„Wo ist Sarah, Julian?“
Sein Sohn hob die rechte Hand wie zum Schwur: „Ehrlich, Robert, ich weiß es nicht. Sie hat mich einmal angerufen und mir gesagt, dass ich meine Hamburger Wohnung aufgeben soll, um dir… also, sie wollte gerne, dass ich hier einziehe, wenn sie weg ist…“ Er räusperte sich und sah seinen Vater nicht an, als er halblaut hinzufügte: „Sie hat sich irgendwie Sorgen um dich gemacht. Dass du es dir zu Herzen nimmst und dann solltest du nicht allein sein… hat sie gesagt.“
„Wann war denn das?“
„Ach, so genau weiß ich das nicht mehr. Vor vier Wochen – oder so…“
Über Roberts bleiches Gesicht lief ein Zucken. „So lange wusstest du Bescheid? Und zu mir hat sie kein einziges Wort gesagt?“
Julian schluckte. „Ich hab´ ihr schwören müssen, dass ich schweige wie ein Grab.“
„Was geschah dann?“ fragte Robert leise.
„Dann? Na ja, eigentlich nichts. Bis vorgestern hat sie sich nicht mehr bei mir gemeldet. Da rief sie abends an und sagte, sie wäre soweit. Sie würde am Freitag, also heute, auf die Reise gehen.“
Robert starrte seinen Sohn an. „Auf die Reise? Welche Reise? Warum hat sie nicht mit mir geredet?“
Julian schwieg. Er lehnte sich zurück in seinem Stuhl, schob sein Frühstücksgedeck beiseite, klopfte dann seine Taschen nach Zigaretten ab, und als er sie endlich gefunden und den ersten tiefen Zug getan hatte, blickte er durch den Zigarettenrauch seinen Vater ungewöhnlich ernst an.
„Wieso hast DU nicht mit ihr geredet? Findest du nicht, dass Sarah es verdient gehabt hätte, zu erfahren, warum du mit dieser grässlichen Kati oder Kitty in die Kiste gesprungen bist? Sarah hat gewartet, Robert. Tagelang, wochenlang. Und was tust du? Du schweigst. Findest du das fair?“
„Sie hat mich nie darauf angesprochen. Für mich war die Sache längst erledigt. Wieso wusste sie überhaupt davon?“
„Das fragst du jetzt nicht im Ernst“, Julian wurde sarkastisch. „Als wir Sarahs Geburtstag feierten, war es wirklich nicht zu übersehen. Diese Männer mordende Hyäne hat dich ja förmlich mit ihren Blicken aufgefressen. Es war so offensichtlich, was zwischen euch lief, dass nur ein kompletter Idiot es nicht bemerkt hätte.“
„Für mich war Kitty Cornelius zu dem Zeitpunkt kein Thema mehr!“
„Aber für Sarah nicht. Sie hat erwartet, dass du es ihr erklärst. Das hast du nicht getan.“
„Doch“, erinnerte Robert sich. „Zumindest habe ich es versucht. Gestern Abend habe ich Sarah gefragt, ob sie reden möchte, aber sie wollte nicht.“
Julian seufzte resigniert. „Deine Frage kam zu spät, Vater. Sie ist enttäuscht und verbittert und vertraut dir nicht mehr.“
Robert stöhnte auf, legte den Kopf in den Nacken und starrte gegen die Zimmerdecke. „Sie hat mich einmal gefragt“, erinnerte er sich voller Scham. „Und ich habe ihr nicht geantwortet.“
„Wieso nicht?“ wollte Julian wissen. „Wovor hattest du Angst?“
Daraufhin sah sein Vater ihn sekundenlang schweigend an. „Wahrscheinlich vor Sarahs Reaktion“, sagte er dann kaum hörbar.
Julian seufzte tief auf. „Du siehst, wohin euch das gebracht hat“, lautete sein knapper Kommentar.
Später, irgendwann am Vormittag, stieg Robert mit den schweren Schritten eines Mannes, der eine schwere Schlacht geschlagen, aber dennoch verloren hatte, die Treppe hinauf zu Sarahs Studio. Es war, wie nicht anders erwartet, sorgfältig aufgeräumt. Die Bücher auf dem Schreibtisch ordentlich gestapelt, nichts lag herum oder stand im Weg – Sarah war sich selbst treu geblieben und hatte kein Chaos zurück gelassen.
Auf dem kleinen runden Tisch lag ein Briefumschlag. Robert hatte ihn kaum entdeckt, als sein Herz auch schon schneller schlug. Sarah hatte ihm geschrieben. Sein Name war in ihrer energischen Handschrift auf dem Kuvert zu lesen.
Er konnte nicht verhindern, dass seine Hand leicht zitterte, als er nach dem Brief griff, um ihn nach einem kurzen Zögern aufzureißen.
Alles, was sich darin befand, war ein fast leeres Blatt Papier und eine Prise heller Strandsand, die er in seine hohle Hand rieseln ließ.
Dann las er, was Sarah ihm zum Abschied geschrieben hatte:
„Ich wäre gerne Alles für Dich gewesen. Es tut mir sehr leid, dass es dafür nicht gereicht hat.“
18. Kapitel
I n der ersten Woche ohne Sarah, die er nicht einmal anrufen konnte, weil sie ihr Mobiltelefon zu Hause liegen gelassen hatte – absichtlich, wie Robert und auch Julian vermuteten, um für
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