Liebeslüge, Liebesglück? (Julia) (German Edition)
fertigbringen, Eva davon zu erzählen?“, fragte er ausdruckslos.
„Das wird nicht nötig sein.“ Athan sah ihn weiter durchdringend an, ohne mit der Wimper zu zucken. „Miss Milburne ist bereits ausgezogen.“
„Was?“
„Du hast mich schon richtig verstanden: Sie ist ausgezogen. Vielleicht hat sie sich ja inzwischen schon einen anderen gut betuchten Liebhaber gesucht.“
Wieder war Ian wie erstarrt. Dann trat plötzlich ein Ausdruck in seine Augen, den Athan nicht deuten konnte. Sein Schwager ging wortlos zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um und sagte: „Morgen hast du meine Kündigung auf dem Tisch.“ Mit diesen Worten ging er hinaus.
Fast wäre Athan ihm nachgeeilt, hätte ihn gepackt und geschüttelt. Dass Ian wirklich kündigen würde, glaubte er nicht. Dafür hatte er es auf seinem derzeitigen Posten viel zu bequem. Außerdem würde Eva nicht zulassen, dass es zum Streit zwischen ihrem Mann und ihrem Bruder kam.
Aufgewühlt und wütend lehnte Athan sich zurück. Sollte Ian doch seinem Ärger Luft machen, diese verdammte Ratte! Wenn er auch nur ein kleines bisschen Rückgrat gehabt hätte, dann würde er, Athan, jetzt nicht von der Erinnerung an Marisa gequält werden – und von seiner Sehnsucht nach ihr.
Als Athan seinen Plan erarbeitet und sich überlegt hatte, wie er Marisa und Ian auseinanderbringen würde, hätte er sich niemals erträumen lassen, dass er sich am Ende so betrogen fühlen würde. Betrogen um etwas Wunderschönes. Aber er hatte nun einmal keine andere Wahl gehabt. Er wollte Marisa immer noch, musste Athan sich eingestehen. Er wollte nicht, dass es vorbei war. Er wollte sie zurückhaben!
Starr blickte er geradeaus. Doch statt seines eleganten Büros sah er einen weißen Sandstrand vor sich, Palmen, das türkisfarbene Meer – und Marisa.
Marisa stieg aus dem Taxi und gab dem Fahrer das Geld, einen erschreckend hohen Betrag. Vor ihrer Bekanntschaft mit Ian wäre sie nie auf die Idee gekommen, die dreißig Kilometer vom Bahnhof mit dem Taxi zu fahren, sondern hätte den Bus genommen, auch wenn dieser nur viermal am Tag fuhr. Dann wäre sie den Weg vom Dorf bis zum Cottage zu Fuß gelaufen. Doch dank Ian konnte sie sich nun diesen Luxus leisten.
Aber an Ian durfte sie jetzt nicht denken. Er lebte in einer Welt, zu der sie nie wirklich gehört hatte. Das hatte Athan Teodarkis ihr unmissverständlich gezeigt, und eigentlich sollte sie ihm sogar dankbar dafür sein.
Als das Taxi wegfuhr, ging Marisa den schmalen Weg entlang und zitterte in der feuchtkalten Luft, die vom Moor herüberwehte und um die kahlen Bäume strich. Es war später Nachmittag und es wurde schon dunkel, als sie vor dem baufällig wirkenden Cottage stand. Eine Schieferplatte hatte sich gelöst, und aus der mit Laub verstopften Dachrinne tropfte Wasser.
Mit schwerem Herzen und einem tiefen Seufzer trug Marisa Gepäck und Einkaufstüten durch das quietschende Holztor. Als sie die Haustür öffnete, schlug ihr Feuchtigkeit entgegen. Fröstelnd stellte sie die Koffer ab und trug die Einkäufe in die Küche, in der es wegen der Lehmwände und der kleinen Fenster sehr dunkel war. Als Marisa das Licht anschaltete, sah sie den Staub auf dem Tisch und die toten Fliegen auf der Fensterbank.
Ein Gefühl tiefer Trostlosigkeit legte sich bleischwer auf sie, während sie den Kühlschrank einschaltete, die Lebensmittel wegräumte und Staub wischte. So gut es ging, versuchte sie sich von der schmerzlichen Leere in ihrem Herzen abzulenken.
Marisa trauerte um ihre Mutter, deren Abwesenheit hier so deutlich zu spüren war. Sie trauerte Ian nach, an dessen Leben sie nun nicht mehr teilhaben konnte. Und sie trauerte um etwas, an das sie gar nicht denken durfte. Denn sonst würde die Verzweiflung sie überwältigen.
Als Schmerz ihr die Kehle zuschnürte, sank sie auf einen Küchenstuhl und barg das Gesicht in den Händen. Von heftigen Schluchzern geschüttelt, ließ sie all ihren Kummer und ihre Einsamkeit heraus – und noch ein anderes Gefühl, das sie immer wieder scharf wie ein Dolch durchfuhr.
Wie konnte er ihr so etwas antun? Warum war sie nur darauf hereingefallen? Und wieso, um alles in der Welt, tat es so unendlich weh?
Noch immer verstand Marisa nicht, warum Athan ihr nicht einfach gesagt hatte, sie solle sich von Ian fernhalten. Stattdessen hatte er sie mit Charme und zärtlichen Worten in die Falle gelockt. Nichts war ehrlich gewesen: weder sein Lächeln noch seine Worte oder seine Küsse …
Sie hob
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