Liebesmaerchen in New York
als die Bezeichnungen, die Mitch dafür gebraucht hatte. Anziehungskraft, chemische Reaktion, Lust. Nein, ihr gefielen weder diese Namen noch ihre unbeherrschte Reaktion auf seine Umarmung.
Hester war zu ehrlich, um zu leugnen, dass sie es einen Augenblick lang genossen hatte, umarmt und geküsst zu werden. Sie hatte auch nicht das Gefühl, sich deswegen schämen zu müssen. Eine Frau, die so lange alleine gewesen war wie sie, musste doch so reagieren, wenn ein attraktiver Mann sich ihr näherte.
Und warum habe ich dann nicht dasselbe empfunden, als Cunnings sich an mich herangemacht hat? fragte sie sich und weigerte sich, diese Frage zu beantworten.
Es ist vernünftiger, sich Gedanken über das Abendessen zu machen, entschied sie. Der arme Radley wird sich mit Suppe und einem Butterbrot anstelle seiner geliebten Cheeseburger zufriedengeben müssen.
Seufzend stand Hester auf, als sie die Wohnungstür aufgehen hörte.
»Mom! Mom, komm, sieh mal die Überraschung.«
Hester setzte ein Lächeln auf, obgleich sie sicher war, keine einzige Überraschung mehr ertragen zu können. »Red, hast du dich bei Mitch bedankt für … oh.«
Da war er schon wieder. Hester zupfte automatisch ihren Pulli zurecht. Red und Mitch standen nebeneinander im Türrahmen und strahlten sie mit dem gleichen Grinsen an. Radley trug zwei Papiertüten und Mitch etwas, das verdächtig nach einer Schreibmaschine mit einer herunterhängenden Kabelschnur aussah.
»Was ist denn das alles?«
»Dinner und zwei Filme«, klärte Mitch sie auf. »Red hat mir verraten, dass du eine Schwäche für Schokoladenshakes hast.«
»Ja, das stimmt.« Der Essensduft war schließlich bis zu ihr durchgedrungen. Sie schnüffelte und warf einen Blick auf Reds Tüten. »Cheeseburger?«
»Erraten. Mit Pommes. Mitch meinte, wir sollten doppelte Portionen nehmen. Taz hat seine schon bekommen. Er muss unten essen, weil er ziemlich üble Tischmanieren hat.«
Mitch trug seine Apparatur zu Hesters Fernseher hinüber.
»Und ich habe Mitch geholfen, sein Videogerät abzumontieren. Wir haben ›Die Piraten der verlorenen Arche‹ mitgebracht. Mitch hat Tausende von Filmen.«
»Red sagte mir, du bevorzugst Musicals.«
»Ja, also …«
»Haben wir auch mitgebracht.« Red stellte seine Tüten ab und setzte sich zu seinem Freund auf den Boden. »Mitch sagte, es sei lustig. Dann wird es wohl in Ordnung sein.«
»‚Singin’ in the Rain‹.« Mitch reichte Red ein Kabel und ließ es den Jungen anbringen.
»Wirklich?«
Er musste lächeln. Manchmal hörte sich Hester an wie ihr Sohn. »Wirklich. Was macht das Auge?«
»Oh, das ist schon viel besser.« Hester trat zu Mitch und Red und sah ihnen zu. Es kam ihr seltsam vor, die kleinen Hände ihres Sohnes mit denen eines Mannes zusammen arbeiten zu sehen.
»Es ist zwar ein bisschen eng, aber er passt gerade noch unter euren Fernseher.« Mitch schlug Red leicht auf die Schulter und stand auf. »Hm, farbenprächtig.« Er hatte einen Finger unter Hesters Kinn gelegt und es zur Seite gedreht, um das Auge zu begutachten. »Red und ich fanden, dass du ein bisschen erschöpft aussahst, deshalb dachten wir, es sei netter, das Kino zu dir ins Wohnzimmer zu bringen.«
»Ich war wirklich sehr müde.« Sie berührte einen Moment lang seine Hand. »Danke.«
»Gern geschehen.« Er fragte sich, wie sie und Radley wohl reagieren würden, wenn er sie auf der Stelle küssen würde. Hester hatte ihm seine Gedanken offensichtlich angesehen, denn sie machte hastig einen Schritt zurück.
»Also, dann hole ich besser ein paar Teller, bevor das Essen kalt wird.«
»Nicht nötig. Wir haben jede Menge Servietten. Setz dich schon aufs Sofa, dann werden mein Assistent und ich auftischen.«
»Ich hab’s geschafft!« Radley kroch auf allen vieren zurück. Sein Gesicht war vor Freude gerötet. »Alles fertig.«
Mitch bückte sich, um die Anschlüsse zu überprüfen. »Sie sind ja der reinste Elektromechaniker, Corporal.«
»Zuerst sehen wir uns den Film mit den Piraten an, stimmt’s?«
»So haben wir’s abgesprochen.« Mitch gab ihm das Band. »Also, dann leg’s ein.«
»Ich glaube, ich schulde Ihnen schon wieder Dank«, meinte Hester, als Mitch sich zu ihr auf das Sofa setzte.
»Dann lass endlich das blödsinnige ›Sie‹. Können wir nicht Freunde sein?«
Hester dachte, dass es eigentlich doch ganz natürlich sei, den Freund ihres Sohnes zu duzen. Sie nickte. »Also gut. Die meisten Männer würden am Freitagabend lieber etwas anderes
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