Liebesmaerchen in New York
doch schon die ganze Zeit beizubringen.«
»Ich hab noch nicht einmal über das Abendessen nachgedacht.«
»Sollen sie doch Kuchen essen.«
Hester lachte leise in sich hinein, bevor sie sich neben Mitch zum Schlafen zurechtdrehte.
Ein paar Minuten später kam Red mit dem Kätzchen unter dem Arm herein, um den beiden von seinen Erfolgen zu berichten. Er blieb vor dem Sofa stehen und betrachtete nachdenklich seine Mutter und Mitch. Manchmal, wenn er sich nicht wohlfühlte oder etwas Schlechtes geträumt hatte, durfte er bei Mom schlafen. Dann ging es ihm immer gleich wieder besser. Vielleicht fühlt Mom sich besser, wenn sie bei Mitch schläft, dachte er.
Er fragte sich, ob Mitch seine Mom wohl lieb hatte. Sein Magen kribbelte ganz komisch, als er darüber nachdachte. Er hätte es ganz toll gefunden, wenn Mitch immer bei ihnen wäre und sein Freund bliebe. Wenn er nun aber Mom heiratete, hieß das, dass er weggehen würde? Radley nahm sich vor, seine Mutter danach zu fragen. Sie sagte ihm immer die Wahrheit. Er rückte das Kätzchen auf seinem Arm zurecht, nahm sich eine Schüssel mit Kartoffelchips und ging damit in sein Zimmer.
Es war schon fast dunkel, als Hester aufwachte. Sie schlug die Augen auf und bemerkte, dass Mitch sie ansah. Sie blinzelte und versuchte, sich zu orientieren. Dann küsste er sie, und sie erinnerte sich an alles.
»Wir müssen eine ganze Stunde geschlafen haben«, murmelte sie.
»Fast zwei Stunden. Wie fühlst du dich?«
»Zerschlagen. Ich fühle mich immer zerschlagen, wenn ich tagsüber schlafe.« Sie rekelte sich und hörte Red im Nebenzimmer kichern. »Er muss noch mit seinem Computer beschäftigt sein. Ich glaube, er ist noch nie so glücklich gewesen.«
»Und du?«
»Ja.« Sie zog seine Lippen mit dem Finger nach. »Ich bin glücklich.«
»Wenn du zerschlagen und glücklich bist, ist dies vielleicht genau der richtige Moment, dich noch einmal zu bitten, mich zu heiraten.«
»Mitch.«
»Nein? Auch gut, dann werde ich eben warten, bis ich dich mal betrunken machen kann. Ist noch etwas vom Kuchen übrig geblieben?«
»Ein bisschen. Bist du nicht böse?«
Mitch setzte sich auf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Warum?«
Hester legte ihre Wange an sein Gesicht. »Es tut mir so leid, dass ich dir nicht geben kann, was du dir wünschst.«
Er schloss sie fest in die Arme und bemühte sich, gelassen zu wirken. »Gut. Das bedeutet, dass du langsam anfängst, deine Meinung zu ändern. Ich möchte auf dem Standesamt und in der Kirche getraut werden.«
»Mitch!«
»Ja?«
»Ach, nichts.« Sie richtete sich auf und schüttelte den Kopf. »Ich sage besser nichts mehr. Nimm dir von dem Kuchen. Ich fange inzwischen schon einmal an, hier aufzuräumen.«
Mitch sah sich im Wohnzimmer um und fand es eigentlich nicht besonders unordentlich. »Willst du das wirklich heute Abend noch aufräumen?«
»Du glaubst doch wohl nicht, ich ließe die Wohnung bis morgen in diesem chaotischen Zustand«, erwiderte sie. Dann unterbrach sie sich. »Ach, vergiss es. Ich hab nicht daran gedacht, mit wem ich rede.«
Mitch kniff die Augen zusammen. »Willst du damit andeuten, ich sei schlampig?«
»Überhaupt nicht. Es hat sicher etwas für sich, in einer Rumpelkammer-Atmosphäre zu hausen. Das ist individuell. Eben ein eigener Stil.« Sie fing an, Pappteller und -becher einzusammeln. »Das kommt bestimmt daher, dass ihr zu Hause Dienstpersonal hattet.«
»Das kommt daher, dass ich früher nie etwas durcheinanderbringen durfte, weil meine Mutter Unordnung nicht ausstehen konnte. Zu meinem zehnten Geburtstag engagierte sie einen Zauberer. Wir saßen auf kleinen Faltstühlen im Garten – die Jungen in Anzügen, die Mädchen in Organdykleidern – und sahen der Vorstellung zu. Danach wurde uns ein leicht bekömmliches Essen auf der Terrasse serviert. Jede Menge Dienstboten schwirrten um uns herum, und als wir fertig waren, lag kein einziger Krümel auf dem Boden. Ich denke, meine Unordnung ist eine Art übertriebene Kompensation.«
»Schon möglich.« Sie küsste ihn auf beide Wangen. Was für ein verrückter Mann er ist, dachte sie, so lässig und sicher auf der einen Seite, und auf der anderen Seite von Erinnerungen verfolgt. Hester glaubte fest daran, dass Kindheitserlebnisse den Menschen bis ins hohe Alter hinein prägten. Gerade deshalb war sie ja so wild entschlossen, das Beste für Red zu tun. »Du hast ein Recht auf deinen Staub und deine Unordnung, Mitch. Lass dir von niemandem etwas
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