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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auseinandergenommenen Sender, der andere hatte Jekaterina an der Hand, die zeternd hinter ihm durch das Lager schwankte.
    »Vom Hühnchen holt er mich weg, der Schuft!« schrie sie, als sie Karpuschin sah und annahm, daß hier der Verantwortliche sei. »Es verbrennt mir! Wer mag schon ein schwarzes Huhn essen? Was soll das überhaupt? Wer seid ihr? Ist das ein Benehmen?« Dann erst sah sie ihren Mann Stepan Iwanowitsch auf dem Küchenstuhl sitzen, bemerkte seine dicke rote, geschwollene Backe und wußte, daß man ihn geschlagen hatte. »Stjepa!« schrie sie. »Was macht man mit dir? Die Polizei muß her! Die Polizei! Hilfe!«
    Karpuschin musterte Jekaterina Alajewa und krauste die Nase. »Ich bin Oberst Karpuschin!« sagte er. »Ich verhafte Sie und Ihren Mann.«
    »Stepan Iwanowitsch ist unschuldig!« schrie Jekaterina. Sie war plötzlich weiß wie Schleiflackmöbel, das arme Täubchen; sie zitterte, rang die Hände, zerknüllte die Schürze und war versucht, vor Karpuschin auf die Knie zu fallen, um in der Art der alten russischen Leibeigenen um Gnade zu flehen. »Verführt ist er, mein Stjepa«, rief sie und weinte dann mit offenem Mund, was gar nicht schön aussah und Karpuschin durchaus nicht milder stimmte, denn in gewisser Hinsicht war Karpuschin ein Ästhet, vor allem, wenn es um Frauen ging. »Man hat ihn überredet. Er ist der beste Mensch, Genossen! Er ist ein guter Kommunist! Er hat viele Ämter, er ist sogar Ehrenvorsitzender …«
    »Laß es gut sein, Jekaterinaschka«, unterbrach Alajew ihren Wortschwall und schüttelte den Kopf. »Sie haben den Sender, sie haben Beweise. Es hat keinen Sinn, ihnen zu sagen, wer ich bin.«
    »Mitkommen!« Karpuschin machte ein Ende. »Wir haben Zeit genug, uns über diese Dinge genau zu unterhalten.«
    Die Käufer, die am Samstagnachmittag zum Möbelhändler Alajew kamen, kehrten bestürzt und bedrückt den Rücken, als sie das Geschäft amtlich versiegelt fanden und vor der Tür einen Posten des KGB.
    Er soll dem Kreml Möbel zweiter Wahl geliefert haben, machte bald ein Gerücht die Runde. Man klagt ihn des Betruges an. Wer hätte das gedacht. Der gute, nette, immer fröhliche Stepan Iwanowitsch. Ja, ja, wer kennt schon einen Menschen ganz – man sieht nur seine glatte Haut.
    An die Möglichkeit, daß Alajew ein Spion der Amerikaner gewesen sein könnte, dachte niemand. Wie kann man auch so etwas denken, Freunde, mitten in Moskau?
    In dieser Nacht suchte ›Otto‹ vergeblich nach einem Zeichen von ›Gregor‹. Die Peilwagen des KGB und der GRU nahmen endlose Zahlenkolonnen auf, die sofort zur Dechiffrierzentrale weitergegeben wurden, wo die Fachleute für Codetexte mit dicken Köpfen hilflos herumsaßen.
    Nach zehn Minuten brach die Stimme aus dem Äther ab. ›Otto‹ schwieg. Für immer.
    An der tschechischen Grenze verließ Major James Bradcock den Funkraum und ging in seinem Zimmer ans Telefon. Er wählte eine Nummer in Bonn und sagte nüchtern:
    »Moskau VII-Otto schweigt seit heute. Codeänderung an alle Kontakte nach Plan XI. Es wäre vorzüglich, boys, wenn ihr feststellen könntet, was mit Otto passiert ist.«
    In derselben Nacht hockte Stepan Iwanowitsch Alajew in einem großen schalldichten Kellerraum des Lubjanka-Gefängnisses und wurde verhört.
    Es war das erste Verhör, das er erlebte.
    Er hatte sich darauf eingestellt. Solange er denken konnte, waren ihm die Erzählungen über die Methoden der Verhöre in Lubjanka im Gehirn haftengeblieben. Erzählungen, die das Blut erstarren ließen, als habe man es mit Ameisensäure versetzt. Berichte von ›Ochrana‹, ›Tscheka‹, ›GPU‹ und ›NKWD‹, in denen es hieß, daß Menschen in den Keller gingen und wahnsinnige Tiere wieder herauskamen.
    Nun saß er selbst auf dem Stuhl vor den starken Scheinwerfern, die ihn anstrahlten und blendeten. Irgendwo hinter ihnen saßen die Verhörenden, saß Oberst Karpuschin, von dem es hieß, daß eher ein Wolf weinend davonläuft, als daß Karpuschin einen Hauch von Mitleid ausatmet.
    »Fangen wir an, Stepan Iwanowitsch«, sagte Karpuschins Stimme durch die Blendung der Scheinwerfer. »Verschweigen Sie nichts! Wir wissen sowieso schon alles. Ihre Frau Jekaterina hat uns viel erzählt …«
    Die Verhöre dauerten zehn Tage.
    Meistens war es Nacht, wenn Alajew aus dem Schlaf gejagt und in den Keller geführt wurde. Immer wieder mußte er die gleichen Fragen beantworten:
    Wer ist Ihr Auftraggeber? Wie heißen die anderen Kontaktleute? Haben Sie auch für

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