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Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Aufmachung?«
    »Geht ins Haus!« sagte Uman dumpf. »Geht schnell ins Haus und seid ruhig …«
    Als sie ihr Haus betraten, war es bereits voller Menschen. Der Flur, das große Wohnzimmer, ja selbst in der Schlafkammer wogten die Riesenleiber der Leute von Nowa Swesda, vor allem die Tonnenbusen der Frauen nahmen Platz und Luft zum Atmen weg. In der Mitte dieser dampfenden, nach Wald und Moos riechenden Körper war ein Gang gelassen bis zu einem Tisch, und auf diesem Tisch lag, schön ausgebreitet und dekoriert, als läge sie als Auslage in einem Schaufenster des Kaufhauses GUM, die Uniform Ludmilla Barakowas.
    Ludmilla sah es mit einem Blick und faßte nach der Hand Semjonows. »Es ist vorbei, Pawluscha«, sagte sie leise und doch gefaßt. »Wir wollen uns noch einmal küssen …«
    Sie blieben mitten im Gang stehen, zwischen den dampfenden Riesenleibern und schweren Brüsten, umfaßten und küßten sich. Ein Raunen ging durch die Menge, ein Seufzen und Lispeln. Selbst Marussja, das Urmütterchen, das hinter dem Tisch saß wie ein verschrumpeltes Jüngstes Gericht, leckte sich über die Lippen.
    »Erkennt ihr das?« fragte hinter Semjonow die tiefe Stimme Umans. Ludmilla nickte.
    »Es ist meine Uniform, Väterchen«, sagte sie laut.
    »Du bist Kommissarin?«
    »Ich war es. Ich bin mit Pawel Konstantinowitsch geflüchtet, zu euch, Väterchen, um nicht mehr Kommissarin sein zu müssen.«
    »Wer soll dir das glauben, Töchterchen?« Uman trat zum Tisch und hob die Uniformjacke hoch. »Ein Kapitänchen! Mit Orden sogar! Und eine Medaille! Wie kann man das ablegen, Ludmilla Semjonowa? Ihr seid Bolschewiken, man kann das nicht aus dem Herzen reißen! Man bleibt es für immer …«
    »Nein!« schrie Ludmilla und sah sich um. Starre Augen, riesige Leiber, bedrückendes Schweigen. Hier gab es keine Hilfe und kein Verständnis, hier waren nur Feindschaft und Haß. »Ich habe es abgelegt! Ich liebe Pawel Konstantinowitsch … sonst gibt es nichts mehr für mich auf der Welt!«
    »Du wirst ihn behalten!« sagte Uman dumpf.
    »Was habt ihr vor, Väterchen?« fragte Ludmilla. Sie sah sich um. Die Gasse zur Tür hatte sich geschlossen, sie waren umringt von Leibern und Dunst. Das Urmütterchen Marussja lachte meckernd, wie eine Ziege klang's, die man kitzelt.
    »Laßt mich alles erklären, Freunde!« rief Semjonow. So unheimlich es ihm war, so sicher er dem Verderben ins Auge sah, so verzweifelt wehrte er sich dagegen, sich kampflos aufzugeben. Was nutzte jetzt tätlicher Widerstand – man mußte mit Worten überzeugen. »Wir kamen in die Taiga, um ganz für uns zu leben! Wir suchen Frieden, Freiheit, wirkliches Glück. Wir hassen die Gewalt, und weil wir uns lieben, Ludmilluschka und ich, wollen wir einen Platz auf der Welt suchen, auf dem man leben kann ohne Angst …«
    »Du redest zuviel, Brüderchen!« sagte der alte Uman. »Du weißt, daß wir das Töten hassen, daß wir gegen allen Zwang sind, daß wir den Menschen achten und seine Freiheit. Aber hier liegt die Uniform des Zwangs, der Gewalt, des Todes! Kennst du die Geschichte von Jurij und seiner Frau Arina? Weißt du, wie man meinen Sohn Serjoscha wegschleppte? Sein Schrei: Hilf mir, Väterchen! Hilf mir! ist noch in meinen Ohren. Und Leute in dieser Uniform holten ihn ab! Seitdem ist er verschollen!« Der alte Uman warf Ludmillas Uniform gegen die Wand. Ein Stöhnen rann durch die dichte Menge. »Ob ihr den Frieden sucht, was geht es uns an? Ihr habt diese Uniform einmal getragen … das genügt. Führt sie hinaus, Leute!«
    Man ergriff Semjonow und Ludmilla, hob sie hoch und trug sie aus dem Haus. Einen Augenblick wehrte sich Semjonow, er boxte einem Mann zwischen die Augen und trat einem zweiten in den Unterleib. Was half's? Drei andere ergriffen ihn, drei dieser Riesen, und auch die Weiber warfen sich über ihn und ihre mehlsackschweren Brüste drückten ihn nieder und machten ihn wehrlos, als läge er unter einer Presse.
    So wurden sie hinausgeschafft aus dem Haus. Im Schnee, gehalten von vier Weibern, standen zwei große Renhirsche! Riemen hatte man ihnen um den Leib geschnallt, und nun hob man Ludmilla und Semjonow auf den Rücken der Hirsche, band sie mit den Lederriemen fest, verschnürte sie wie Pakete, die Arme nach hinten gespreizt um den Hals der Hirsche, die Beine an den Flanken herunter. Wie gekreuzigt lagen sie auf den Rücken der Hirsche, und noch immer banden die Weiber Schnüre um Hirsch und Mensch und zogen und knoteten und rafften.
    Ludmilla

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