Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesnächte in der Taiga

Liebesnächte in der Taiga

Titel: Liebesnächte in der Taiga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
gewaltig aufgeregt und dich dann in der Wut erschossen. Dann hätte ich es auch vor meinem Gewissen verantworten können. Ich bin, wenn's sein muß, ein jähzorniger Bursche, Franz.«
    »Ich weiß, James. In Arizona hast du einmal dem Corporal das Nasenbein eingeschlagen, weil er dich sechsmal hintereinander die Latrine schrubben ließ.«
    Bradcock nickte. Arizona, New Mexico, Miami, Alaska, die kalifornische Wüste, die Spezialausbildung in Texas. Mein Gott, was hatte man alles miteinander erlebt. Und nun war es die letzte gemeinsame Stunde.
    »Franz, alter Junge«, sagte Bradcock noch einmal. Seine Stimme war kaum zu vernehmen. »Wirf das hier alles hin, komm mit zurück nach Old Germany und den Staaten, sag, was du alles gesehen hast. Wir machen hier noch ein paar Meterchen Mikrofilm und dann ab in die Luft. Man wird dir beim CIA verzeihen; natürlich wirst du die Jacke vollkriegen, du kennst ja die Jungs, aber im Grunde genommen gehörst du doch zu uns! Du bist kein Russe. Mensch, solch ein Wahnsinn! Du bist Deutscher, wie ich ein Ami bin. Das kann man nicht ablegen, schon gar nicht im Bett!«
    Semjonow starrte in den Himmel. Die Wolken jagten tief über die Baumwipfel. Schwefelgelbe Wolken mit ausgezackten Rändern. Die Taiga rauschte. Von ganz weit her klang ein helles Brausen, so als ob man eine Muschel an das Ohr legt und glaubt, das Meer rauschen zu hören.
    »Ich bleibe bei Ludmilla«, sagte Semjonow.
    »Dann nimm sie mit, in Teufels Namen!«
    »Wie stellst du dir das vor?«
    »Das weiß ich auch nicht! Auf jeden Fall ist es ein Irrsinn, daß wir uns gegenseitig umbringen sollen!«
    Semjonow wandte sich ab und ging ein paar Meter in den Wald hinein. Bradcock folgte ihm, das Gewehr in beiden Händen.
    »Gut!« schrie er Semjonow nach. »Dann bleib in diesem verfluchten Sibirien! Wir kennen uns nicht, wir haben uns nie gesehen! Laß mich hier meinen Auftrag erfüllen und wieder abhauen!«
    »Auch das geht nicht«, sagte Semjonow traurig. Er blieb stehen und ließ Bradcock herankommen. »In der Stadt ist Karpuschin. Du kennst ihn nicht.«
    »Nur dem Namen nach.«
    »Bei der Ausbildung haben wir gelernt, Verhöre dritten Grades zu überstehen. Prügel, elektrische Schläge, Folter, Hunger und Durst, die kriegen uns nicht klein. Aber in Texas kennt man keinen Karpuschin. Gemütlich wie ein Väterchen sieht er aus, aber wenn er etwas wissen will, bei Gott, erfährt er es in kurzer Zeit. Ich möchte nicht wissen, was er mit Alajew gemacht hat. Und er wird auch dich eines Tages ausheben.«
    Bradcock lächelte schwach. »Keine Sorge, Junge.«
    »Und er wird aus dir herausbekommen, was er will. Ich weiß es. So geht es nicht, James. Es gibt nur eins: Verlaß Rußland sofort, heute noch!«
    »Ohne meinen Auftrag erfüllt zu haben? Jetzt, wo ich im Detail sehen und fotografieren kann, wie eine Atomstadt entsteht? Bist du verrückt? Wann bekommt ein Spion jemals wieder eine solche Gelegenheit wie ich?« Bradcock schüttelte heftig den Kopf. Sein Gesicht war kantig geworden. »Junge, das war doch nicht dein Ernst!«
    »Doch, James. Der letzte Ausweg. Fahr ab …«
    »Nie! Was ich hier für Amerika tun kann …«
    »Dann komm!« Semjonow setzte sich wieder in Bewegung. Bradcock folgte ihm, holte ihn ein und ging neben ihm her.
    »Also dann muß es sein!« Er stieß Semjonow in die Seite. »Und was wird aus Ludmilla, wenn ich dich treffe?«
    »Du triffst mich nicht.« Semjonow war ganz sicher. »Du hast vieles gelernt, aber nicht, wie sich ein Wolf bewegt.«
    Bradcock überrieselte es eiskalt. Stumm gingen sie nebeneinander in den Wald und kamen nach einer halben Stunde an eine Lichtung. Das Brausen am Himmel war stärker geworden, der Wind bog die Wipfel herunter, die Wolken waren weggetrieben. Nur gelbgraue Unendlichkeit zeigte der Himmel, eine Fahlheit, die bedrückte und Furcht erregte.
    »Es gibt ein Unwetter«, sagte Bradcock heiser.
    »Ja. Ein Wirbelsturm. Was hindert uns das?« Von diesem Augenblick an sprach Semjonow wieder Russisch. Er blieb auf der Lichtung stehen, breitbeinig, ein Jäger der Taiga. Das Gewehr hielt er schräg vor der Brust. »Wir wollen uns nichts vorwerfen, Brüderchen«, sagte er fest. »Es soll fair zugehen bei uns. Wir gehen auf die Jagd … und wir schießen das Wild ab, wenn wir es treffen können.« Semjonow wies in den Wald. »Du gehst vierhundert Schritte in diese Richtung, ich gehe vierhundert Schritte in die andere. Danach gibt jeder einen Schuß in die Luft ab als Zeichen, daß er

Weitere Kostenlose Bücher